Nuramon
Blicken umher. Erst Stunden später – in der Gefangenschaft – wurde ihnen klar, wer sie waren und was geschehen war. Sie erzählten, dass sie Krieger waren und vor mehr als einem Jahr an der Quelle in eine Starre gesunken waren, um einst mit den Ringen Magie wirken zu können. Und sie nannten ihnen den Namen des varmulischen Zauberers: Tarsun, der Hofmagier König Mirugils.
Der Albenstern in den Ahnenhallen von Varlbyra beschäftigte Jasgur. Er ließ mit Bjoremuls Hilfe eine Karte des Gebäudes erstellen, durch das Bjoremuls Familie einst aus der varmulischen Hauptstadt geflohen war. Doch erst als Nuramon auf den Albenpfaden nach Osten reiste, um die feindlichen Albensterne zu kartografieren, erfuhr er, dass die Tür der kleinen Totenkammer, in welcher der Albenstern lag, zugemauert war und es kein Durchkommen gab. Borugar schlug vor, den Albenstern, der sieben bis zehn Meilen nördlich von Varlbyra lag, zu nehmen, doch Jasgur war dagegen. »Die Stelle liegt auf flachem Land. Das lässt sich gegen die Übermacht nicht verteidigen. Als Rückzugsweg könnte er aber Gold wert sein.«
Borugar nickte. »Vor Varlbyra werden wir zu Belagerern. Da brauchen wir sichere Nachschubwege.«
Jasgur grinste und deutete auf die Karte. »Hier. Der Albenstern liegt vierzig Meilen westlich von Varlbyra und ist gut zu verteidigen. Von dort aus können wir den Nachschub über die Pfade aufrechterhalten. Wenn wir die Feinde bis dorthin zurücktreiben, müssen wir unser Heer nicht einmal teilen. Eine kleine Schar würde ausreichen, den Albenstern zu verteidigen.«
Borugar grinste zufrieden.
Noch ehe Borugar den Deckel des Korbes angehoben hatte, roch er das Blut. Entsetzt sah er Jasgur, Yargir und Gaerigar über den Kartentisch hinweg an, dann verabschiedete er den Späher, der die Botschaft vom varmulischen König abgelegt hatte, mit einem Nicken. »Das haben sie nicht gewagt«, sagte er schließlich leise und kämpfte mit den Tränen.
Da trat Nuramon ins Zelt, kam an den Tisch, schaute auf den Korb und dann in die Runde. Er hob den Deckel und öffnete damit den Blick ins Innere. Unter den von Blut durchtränkten Leinentüchern drangen Zöpfe hervor. Borugar machte eine beschwichtigende Geste, damit Nuramon den Kopf vom Tuch bedeckt ließ. Doch sein Schwiegersohn fasste mit eiskalter Miene in den Korb und legte das Antlitz der Geköpften frei. Es war das angeschwollene Gesicht der Botin Yurna.
Während sie alle einfach nur dastanden, stürmte Nuramon aus dem Zelt. Eine Stunde später brachte er den Kopf des feindlichen Feldherrn.
Rachefeldzug
An der Spitze der yannadrischen Streitmacht preschte Nuramon inmitten der Ilvaru auf die kleine Festung fünf Meilen vor Ralenyl zu. Noch ehe sie dort waren, schwangen die Tore der feindlichen Festung auf, und die varmulischen Krieger ergriffen die Flucht.
»Dein Ruf eilt dir voraus«, sagte Loramu. Sie klang nicht triumphierend, eher bedauernd. Er verstand seine Schwertfürstin gut. Auch ihm war nicht entgangen, dass die Feinde ihn mehr fürchteten als in den zurückliegenden Jahren. Und ebenso wenig war ihm das Entsetzen in den eigenen Reihen verborgen geblieben. Er selbst war von sich entsetzt.
Vor jeder Schlacht nahm er sich vor, seinen Zorn zu zügeln. Doch im Kampfgetümmel entglitt ihm alles, er vergaß jede Vorsicht, tötete jeden, der sich ihm in den Weg stellte, und nach den Gefechten war er verzweifelt. Sein blinder Zorn widersprach seinem Wesen und würde ihn früher oder später das Leben kosten.
Aswyrun kam neben ihn geritten. Der eher kleingewachsene Krie ger war Waragirs Schwertbruder gewesen, und Nuramon hatte ihn zu seinem neuen Schwertfürsten neben Loramu gemacht, nachdem Bjoremul nach Jasbor zurückgereist war. Nun aber, da Bjoremul wieder zurückgekehrt war, hatte Borugar ihn zum Feldherren eines eigenen Banners erhoben, sodass Aswyrun ihn weiterhin vertreten musste. »Das sieht vielversprechend aus«, sagte er und strich sich durch den dünnen Bart. »Hoffen wir, dass wir die Stadt ebenso leicht einnehmen.«
Ralenyl, die letzte Hauptstadt des untergegangenen Königreichs Nylindor, lag am Arljas und war mit ihrem bedeutenden Flusshafen und der breitesten Furt zwischen Mittel- und West-Varmul ein strategisch wichtiger Ort, den die Varmulier nicht verlieren durften. Fiel Ralenyl, war der Weg nach Varlbyra, der Hauptstadt Varmuls, beinahe frei.
Nuramon ritt an Borugars Seite, gefolgt von Nylma, Yargir und Jasgur, an den Rand des Hügels, während die Streitmacht
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