Nuramon
Ceren über die Jahre mit ihnen geteilt hatte, würden ihm helfen, das Leid zu ertragen. »Was aber, wenn uns die Zukunft noch weitere von Tarsuns Sorte beschert?«, fragte er.
Loramu schaute auf den toten Magier hinab. »Er sagte, dass man sie verfolgt hätte. Wer weiß, ob die anderen, die mit ihm kamen, überhaupt noch leben.«
Nuramon hätte nur zu gerne geglaubt, dass mit Tarsun alles vorüber war. Aber er konnte es nicht. »Wir müssen davon ausgehen, dass sie leben«, sagte er. »Die Frage ist, wie sie herkamen. Wirklich zu Schiff? Und können ihnen jederzeit andere nachfolgen?«
»Wenn sie in Heerscharen kommen könnten, hätten sie uns wohl überfallen«, sagte Loramu. »Und auf den Albenpfaden können sie auch nicht gekommen sein. Sonst hätte Tarsun die Varmulier auf den Pfaden zu uns geführt. Der Krieg wäre anders verlaufen.«
Nuramon nickte. »Stünde den Tjuredanbetern ein leicht begehbarer Weg hierher offen, bräuchten sie die Verfolgung des Fürsten von Helbyrn oder irgendeines anderen Herrschers nicht zu fürchten.«
»Es sei denn, sie haben ihre Macht verloren«, sagte Loramu. »Und Arlamyr ist ihre Zuflucht.«
Es war Nuramon, als wäre gerade eine alte Kriegswunde aufgebrochen. Er hatte gedacht, dass er den Tjuredanbetern nie wieder gegen übertreten musste. Doch nun hatte er gegen Tarsun einen Kampf fortgesetzt, dessen letztes Gefecht die Schlacht um Albenmark gewesen war. Er konnte nur hoffen, dass es nun endlich ein Ende hatte. »Gehen wir zurück«, sagte er. »Ich will bei Gaerigar sein. Und bei Yargir.«
Loramu schluckte und zog die Nase hoch.
»Und bei Weraula.« Er zählte die Namen all jener auf, die er heute hatte sterben sehen. Er kannte jeden, dessen Namen er je vernommen hatte. Selbst viele unter den Merelbyrern und unter Jasgurs Kriegern waren Nuramon bekannt, und so wurde die Liste immer länger. Erst die Verzweiflung ließ ihn schweigen.
Totenkammern und Edelsteine
Nerimee saß im Kerzenschein neben dem Körper ihres Bruders, der in einer Nische auf einem Steinbett ruhte. Er sah aus wie eine der Statuen, die in den Kellergewölben des Hauses lagen: bemalte Steinkörper, die auf den ersten Blick den Schein von Lebendigkeit erweckten.
Der Krieg war vorüber, sie hatten Varmul bezwungen, doch der Preis war viel zu hoch gewesen. Es gab so viele Totenfeiern, dass die Ahnenpriester oben im Palast Quartier bezogen hatten. Doch selbst die gewaltige Beute, mit der ihr Vater zurückgekehrt war, verlieh der Aussicht, ihre Mutter zu retten, einen bitteren Beigeschmack. Was würde sie wohl sagen, wenn sie erfuhr, dass Gaerigar, Waragir, Yargir und all die anderen tot waren?
Nerimee strich ihrem toten Bruder über das Haar. Anders als ihre Großmutter hatte sie keine Scheu vor dem Tod und verspürte keinen Ekel mehr vor Leichen. Nur die Schuldgefühle griffen nach ihr. Sie fragte sich, ob sie genug getan hatte, um den zurückliegenden Rachefeldzug zu verhindern.
Als sie Hunger bekam und auf den Gang hinaustrat, traf sie auf ihren Großvater. Er lehnte an der Wand, starrte ins Leere, und als er sie bemerkte, rang er um ein Lächeln. Dann wies er den Gang entlang und atmete tief durch. »Nylma hat mich gefragt, ob es das alles wert gewesen sei«, sagte er, und Nerimee schwieg, weil sie ihrem Großvater keine Erleichterung bieten konnte.
Borugar atmete durch. »Wer in einen Rachefeldzug zieht, sollte bereit sein, alles zu opfern. Und das war ich nicht. Vorher war es leichter. Wenn man vom Hass angetrieben wird, hat alles Streben eine Richtung.«
»Ich weiß, was du meinst.«
Er sah sie überrascht an. »Ist dein Hass auch vergangen?«, fragte er leise.
Sie nickte. »Er ist einfach verglüht.«
Borugar schüttelte den Kopf. »Ich sehe nicht, was uns nach diesem Krieg bleibt – außer vollen Schatzkammern und der Beute, die dein Vater heimgebracht hat.«
»Vater erzählte, dass du den Befehl zum kompletten Rückzug gegeben hast.«
Borugar nickte langsam. »Es heißt, die Fürsten würden bereits um die Krone von Varmul streiten. Und je länger sie streiten, umso länger sind wir sicher.«
»Er sagte mir auch, dass du aus West-Varmul abgezogen bist.«
Er nickte erneut. »Die Rebellen haben sich ihre Freiheit erkämpft. Sie wollen nicht den einen König gegen einen anderen eintauschen. Ich werde ein Bündnis mit ihnen schließen.«
Nerimee lächelte. »Vielleicht bist du zu demütig, Großvater. Gaerigars Tod und der all der anderen sollte nicht umsonst gewesen sein.«
»Die
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