Nuramon
sich gefürchtet, ihre Beziehung in dieser Nacht ruiniert zu haben.
»Ich habe mit Salyra gesprochen«, sagte Lyasani. »Und wir sind uns nicht sicher, was wir tun sollen.«
»Müssen wir überhaupt etwas tun?«, fragte Yendred.
»Wir sollten schon darüber sprechen, wo wir stehen. War es eine Nacht der Schwächen? Oder haben wir einfach die Wahrheit gelebt?«
Er lächelte und sah ihr in die dunklen Augen. »Ich weiß nur, dass es die schönste Nacht meines Lebens war.«
»Aber was wird der Preis sein, Yendred?«
»Vielleicht war es ein Fehler, der irgendwann zur Eifersucht führt. Vielleicht darf es nicht noch einmal geschehen. Aber ich muss an den Cousin meines Vaters denken. Damals, als Ceren noch in Albenmark lebte und die Drachen noch nicht über sie hergefallen waren.«
»Belrion und seine beiden Geliebten«, sagte sie und nickte. »Aber es ist gefährlich, eine solche Liebe zum Ideal zu erklären.«
»Glaubst du, sie haben es als Ideal betrachtet?«, fragte er und überlegte. »Glaubst du nicht, dass sie in der Obhut Cerens genau das getan haben, was sie uns geraten hat: einfach auf die Gefühle zu hören? Das gestern war mehr als die Erfüllung unserer Lust. Wenn ich zuvor in Salyras Armen lag und du außen vor warst, hast du mir gefehlt. Aber letzte Nacht, nachdem dieses Gefühlsgewitter vorüber war, fühlte ich mich wie nach einem Tag der Kampfübungen, wenn wir uns aneinanderschmiegen und einschlafen. Ich fühlte mich … vollständig.«
Sie nickte und spitzte die Lippen. »Oder wie nach einem Lauf über die gesamte Insel.«
»Das meine ich«, sagte er nickend. »Wenn ich von euch getrennt bin, fühle ich mich schmal und schwach. Und wenn ich nur mit einer von euch unterwegs bin, ist es zwar ein Trost, aber ich frage mich ständig, wann wir wieder vereint sind. Ich habe überhaupt keinen Drang nach Abwechslung. Die Gesellschaft von anderen Freunden langweilt mich schnell, und ich bin froh, wenn wir wieder unter uns sind.«
Sie starrte ihn an. »Das hat Salyra auch gesagt.«
»Und du? Fühlst du es auch?«, fragte er, und als sie nickte, war er erleichtert und sagte: »Dann gestehen wir uns doch ein, dass es eine wunderbare Nacht war und wir Angst haben, was daraus erwächst. Lass uns keine Pläne schmieden.«
»Aber du bist der Thronerbe«, sagte sie.
Er lächelte, fasste sanft nach ihrer Hand und sagte: »Sollte die Krone je zwischen uns stehen, verzichte ich auf sie.«
Als Nuramon aufgestanden war, reichten ihm Nylma und Salyra ein Stück Brot und einen Becher heißen Kräutertee. »Köstlich«, sagte er und schaute in den Becher. Der würzige und süße Geschmack kam ihm bekannt vor.
Nylma grinste. »Aus Noroelles Wald.«
Nuramon musste lachen. Er dankte ihr, dass sie ihm eine Erinnerung an die Kräuterwiesen Albenmarks geschenkt hatte.
Er setzte sich zu Nylma ans Feuer und sah, dass Salyra im Wald verschwand. »Wo sind die anderen?«, fragte er.
»Die haben viel zu bereden.«
»Ach, wegen der Nacht in Jasbor.«
»Sind sie endlich zusammengekommen?«, fragte Nylma, ehe er es ihr erklären konnte. »Du bist doch nicht etwa überrascht?«
»Ein wenig schon«, sagte er und wunderte sich, dass die Wyrenara nicht überrascht war.
Nylma schaute in den Wald hinein, als könnte sie Yendred und seine beiden Geliebten sehen. »Ich nahm an, es würde viel früher dazu kommen. Ich sage dir: Sie sind eins. Sie sind wie Yargir und ich. Ich kann Yendred nicht betrachten, ohne sofort an die beiden Mädchen zu denken.«
Nuramon musste lächeln. »Nerimee hat mich darauf vorbereitet, dass die drei früher oder später zusammenkommen könnten. Aber es deckte sich nicht mit dem, was ich sah.«
Nylma grinste und hob die Augenbrauen. »Wenn wir eines gelernt haben, mein lieber Nuramon, dann, dass wir auf Nerimee hören sollten.« Sie nahm einen Stock und stocherte in der Glut herum. »Und?«, sagte sie mit einem schelmischen Lächeln. »Wie fühlt es sich an, zwei Schwiegertöchter zu bekommen?«
Nuramon lachte und schaute sich an dem Ort um, an dem er vor mehr als hundert Jahren so enttäuscht gewesen war. Schließlich sagte er: »Es fühlt sich nicht nur gut an, sondern auch richtig.« Dann grinste er. »Wenn ich nur wüsste, wie ich das Borugar und Jaswyra beibringen soll!«
Orakelblick
Tyregol saß nun endlich wieder auf dem Thron seines Vaters. Aber was nützte die Macht, wenn man stets gegen den eigenen Willen handeln musste? Er wollte nicht gegen die Yannadrier Krieg führen, doch die
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