Nuramon
herausschauen, sondern auch Nerimee, die am Rand der Klippe stand und zu ihnen herabschaute. Ihr Mantel und ihr langes Haar wehten im Wind, und ein hoffnungsvolles Lächeln lag auf ihren Lippen.
»Schaut euch ihr Gesicht an«, sagte Yendred.
Lyasani und Salyra sagten im Chor: »Wir haben keine Elfenaugen.« Während Yendred darüber lächelte, hielt Nylma den Blick starr geradeaus gerichtet. Wir haben keine Elfenaugen . Das war einer der vielen Sprüche, den sie und Yargir in den ersten Jahren ihrer gemeinsamen Freundschaft geprägt hatten.
»Geht, und schaut, ob das Boot bereit ist«, sagte Nuramon den drei Jünglingen.
Als sein Sohn und dessen Freundinnen fort waren, sagte Nylma: »Du erinnerst dich noch daran?«
»Sie wussten gewiss nicht, wie nahe es dir geht«, sagte Nuramon.
Nylma lächelte sanft. »Es macht mich stolz zu wissen, dass noch so viel von Yargir lebendig ist.« Sie schaute ihren drei Schützlingen nach. »Yendred greift wie du an, aber verteidigt wie Yargir. Lyasani führt Waffen so genial wie Bjoremul. Aber sie verwendet meine Sprü che, wenn sie den anderen beiden eine neue Kampftechnik zeigt. Und Salyra! Sie könnte meine Tochter sein.« Nylma blieb stehen, und so hielt auch Nuramon an. »Das sind unsere Nachkommen«, sagte sie. »Sie werden vieles von dem, was wir ihnen beibrachten, weitertragen, verbessern und zu neuen Höhen führen.«
»Sind sie wirklich so gut?«, fragte Nuramon. Er erinnerte sich an die Schwierigkeiten, die sie unter Helguras Verantwortung gehabt hatten.
Nylma nickte. »Als Krieger sind sie so viel wert wie zehn Leute. Yargir und ich kämpften als Paar, und wir kannten jede unserer Be wegungen. Sie aber lehrte ich als Dreieck zu kämpfen – und dann sah ich, wie Lyasani sie weiter emporführte. Du wirst dich wundern.«
Auf alten Spuren
Als sie von den Albenpfaden zurück in die Welt schritten und auf einer Waldlichtung zu den weißen Bergen hinüberschauten, war es Yendred, als wären die Erzählungen seines Vaters mit einem Schlag zum Leben erwacht. Und als sie den Wald durchschritten hatten und ans Meer kamen, blickte er neugierig voraus. Da lag die kleine Insel jenseits der Fluten, mit ihrem Wald und dem steinigen Ufer. Dort war es geschehen.
Vor der Insel lag der Albenstern im Wasser. Zur Ebbe würde er sich zeigen. An den Muscheln, die sich dort sammelten, würden sie ihn erkennen. Über ihn würden sie auf einen Albenpfad gelangen, der sie auf den anderen Kontinent führte. Es war der Albenstern, über den die Elfenkönigin Noroelle in die Zerbrochene Welt geführt hatte, um sie dort einzusperren. Und als der Pfad zu ihr mit einem Zauber verschlossen gewesen war, hatte sie das Stundenglas, dessen magischen Sand sie für den Zauber verwendet hatte, an dem Felsen, der dort aus dem Strand ragte, zerschlagen. Erst Jahrhunderte später waren Nuramon und sein Gefährte Farodin gekommen, hatten das Tor geöffnet und Noroelle befreit.
Yendred liebte diese Geschichten aus dem Leben seines Vaters, und er bedauerte es, dass sie auf die Ebbe warten mussten. Sie rasteten am Strand, aßen und tranken etwas, und Nuramon erzählte ihnen, dass das Orakel Dareen ihm in ihrer Grotte ein Abbild der Insel gezeigt hatte. »Und als wir das erste Mal hier waren, scheiterten wir«, erklärte er Salyra. »Ich stürmte gegen Mächte an, denen ich nicht gewachsen war. Wir standen so kurz vor unserem Ziel und mussten doch kehrtmachen, um nach einer größeren Macht zu suchen.« Er erzählte von ihrer Rückkehr in die Bibliothek von Iskendria, von Yulivee, die noch ein Kind gewesen war und die er zu seiner Schwester erkoren hatte, von der Seeschlacht im Fjordland, von dem Kampf gegen den Devanthar und dem erbeuteten Albenstein. »Damit wäre es uns vielleicht gelungen, das Tor zu öffnen«, sagte er. »Aber wir übergaben den Albenstein unserer Königin, damit sie Albenmark retten konnte. Im letzten Moment gab sie uns das magische Stundenglas. Sie hatte die Scherben wieder zusammengefügt und viel des magischen Sandes behalten. Damit verließen wir Albenmark, ehe der Weltenzauber die Pfade zerschnitt. Und mit dem Stundenglas brachen wir den Zauber, der den Albenpfad schützte.«
»Ist es wirklich hundert Jahre her?«, fragte Salyra. Ihr Blick wanderte zwischen Nuramons und Yendreds Gesicht hin und her.
Nuramon nickte. »Es war im Jahre 2171 nach der Flucht eurer Urahnen aus Wuur. Es ist nun 112 Jahre her.«
Salyra starrte fassungslos in den Sand.
Als die Ebbe kam, schritten sie
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