Nuramon
für ihn schmälern.
Unter dem warmen Dach der Birkeneiche lauschte sie den Gesprächen zwischen den Mägden, dem Baumgeist und Nuramon. Die Frauen erzählten von den vielen Leuten, die mit der Eröffnung der Handelshäuser nach Yannalur gekommen waren. Da fragte Nuramon nach Bargorl, Wergors Neffen. Die jüngeren Mägde schwiegen sofort. Gaeria aber sagte: »Was immer Nerimee in unserem Beisein ihrer Mutter zuflüsterte, dürfen wir nicht offenbaren.«
Daoramu wusste nicht nur von Nerimees Liebe zu Bargorl, sondern auch von den Sehnsüchten und den Bedürfnissen ihrer Tochter. Nerimee hatte ihr sogar gestanden, dass sie auf ihrer Reise nach Alvarudor in Teredyr heimlich in den Liebesgrotten gewesen war. Dabei hatte sie den Trank erwähnt, der eine Frau davor bewahrte schwanger zu werden; ein Mittel, das bei den Kriegerinnen sehr beliebt war, aber inzwischen weitere Verbreitung gefunden hatte. Nerimee wusste, dass der Trank auf Ceren zurückging; die Mägde aber, die ihn oft erwähnten, glaubten, Nylma hätte das Rezept aus Teredyr mitgebracht.
»Ich will nicht mehr wissen, als mir zusteht«, sagte Nuramon. »Sag mir nur, ob sie Bargorl wirklich liebt.«
Die jungen Mägde kicherten.
»Ja«, sagte Gaeria. »Und das hast du nicht von mir gehört.«
»Natürlich nicht«, sagte Nuramon und lachte leise.
Große Magie
Es war der 14. Oburun 2284, Daoramus Geburtstag, sechseinhalb Jahre nach dem Angriff, der sie niedergeworfen hatte. Sie wurde heute neunundvierzig Jahre alt; ihr Körper aber war dank Cerens Stein der einer Frau in den Dreißigern.
Wie jeden Morgen seit seiner Rückkehr kleidete Nuramon Daoramu mithilfe der Mägde an. Heute wählte er einen eleganten Hausmantel, der ganz der neuesten Mode folgend weit und lang war – einer Mode, die Daoramu ebenso verschlafen hatte wie all das andere, was geschehen war. Und wie so oft fragte er sich, wie sie all das Leid der vergangenen Jahre aufnehmen würde. Würde sie ihm die Schuld an Gaerigars Tod geben? Konnte es für sie nach allem noch ein gemeinsames Glück geben? Wie immer die Antworten auf diese Fragen auch lauten mochten, er würde alles tun, um sie zu heilen; ganz gleich, was daraus erwachsen würde.
Nachdem Nuramon den Mantel zugeknöpft hatte, hielt er Daoramus Hand und wartete. Seine Magie und die Nerimees waren ihr im Winter zur Nahrung geworden, nachdem sie zuvor allein der Heilung gedient hatte. Der Brei, den die Mägde sie schlucken ließen, hatte weder ihre Wangen zur alten Wölbung gebracht, noch hatte er dafür gesorgt, dass die Rippen nicht mehr deutlich zu erkennen und die Schatten auf und um die Augenlider verschwunden waren. Die Magie hatte es vollbracht. Ceren hatte Nuramon beigebracht, wie er den Zauber, mit dem er den Hunger früher schon bezwungen hatte, auf andere wirken konnte. Es zehrte sehr an seinen Kräften, aber an magischer Kraft gab es allein wegen all der von Yendred erbeuteten Steine keinen Mangel. Daoramu war wieder erblüht, und nun muss ten sie alle ihr Werk tun, damit sie auch erwachte.
Statt der Palastwache kam an diesem Morgen Yendred mit Nylma, Lyasani und Salyra mit der Trage herein.
Die Mägde wünschten ihnen Glück. »Rette meine Kleine«, sagte Gaeria.
Nuramon nahm die alte Dienstmagd in den Arm. Sie hatte wieder zu ihrer alten Körperfülle zurückgefunden, und Nuramon nahm dies als Zeichen, dass auch Gaeria wieder Hoffnung gefasst hatte.
»Dies ist der Tag«, flüsterte er Gaeria zu, als er sich von ihr löste.
Alle Zauber waren geplant, geübt und erprobt, alle nötigen Steine gesammelt und platziert, und alle Hilfsmittel standen bereit. Die Versuche, die im Kleinen und getrennt voneinander gelungen waren, mussten nun im Großen und zusammengeführt das Werk vollbringen.
Nuramon hob Daoramu auf die Trage, die sein Sohn, dessen beiden Geliebte und Nylma auf dem Bett abgelegt hatten. Nachdem er sie mit der roten Decke, die sie so sehr mochte, zugedeckt hatte, machten sie sich mit ihr auf den Weg.
Auf dem Gang warteten Borugar und Jaswyra. Sie ließen Yendred, Lyasani, Salyra und Nylma mit der Trage passieren und nahmen Nuramon in die Mitte. Gemeinsam folgten sie Daoramu, die auf der Trage durch den Gang schwebte.
Der Weg hinab mit all den Wachen und Bediensteten, die die Königstochter betrachteten, und die Eingangshalle voller Ilvaru und Feldherren, den Priestern und vielen Bürgern von Jasbor und Yannalur nagten an Nuramons Ruhe. Ihr Zug durch den Palast wirkte auf ihn wie ein Totenmarsch. Selbst
Weitere Kostenlose Bücher