Nuramon
sagen, wie es so weit kommen konnte, dass du der Einzige bist. Selbst Nylma und Gaeremul wissen es nicht. Sie wissen nur, dass der Weg nach Albenmark abgerissen ist.«
Nuramon senkte den Kopf. »Sie wissen es nicht, weil ich es ihnen nicht erzählt habe.«
»Würdest du es mir erzählen?«, fragte sie leise.
Er lächelte, schaute einen Moment in die Nacht, und als er bereit war, wandte er sich Daoramu zu. »Im Grunde begann es damit, dass ich um eine Frau warb. Um Noroelle.«
»Ein wunderschöner Name«, sagte Daoramu. Ein verlegenes Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Und erhörte sie dein Werben?«
Nuramon biss sich auf die Lippen, aber dann antwortete er ihr doch. Er erzählte von Noroelle, die ihn und Farodin gleichermaßen geliebt hatte und sich zwanzig Jahre lang nicht zwischen ihnen hatte entscheiden können. Er erzählte von Mandred Torgridson, dem Jarl von Firnstayn, der eines Tages am Hof der Königin um Hilfe gebeten hatte. Ein Wesen, halb Mann, halb Eber, hatte sein Dorf attackiert. Und Nuramon und Farodin waren neben anderen zur legendären Elfenjagd berufen worden. »Wir nahmen die Spur des Mannebers auf, und ehe wir uns versahen, waren die meisten unserer Gefährten tot. Das Ungetüm lockte uns in eine Eishöhle. Und dort töteten wir es.« Er senkte den Kopf und schloss die Augen. »Aber die Bestie war ein Devanthar, ein Dämon aus alter Zeit, ein Feind der Alben. Wie hätten wir unvorbereitet und ohne große Zaubermacht gegen ihn bestehen sollen? Wir töteten seinen Körper. Doch irgendwie gelang es ihm, in neuer Gestalt nach Albenmark zu schleichen und Noroelle zu schwängern.« Nuramon öffnete die Augen und sah das Entsetzen in Daoramus Gesicht. Ihr stockte der Atem. »In meiner Gestalt.«
»Nein, Nuramon«, sagte sie leise und schüttelte langsam mit bebenden Lippen den Kopf. »Und dann wies sie dich zurück, weil sie den Dämon in dir sah?«
»Dazu kam es nicht«, sagte Nuramon. »Und gewiss hätte sie mich deswegen nicht zurückgewiesen.« Der Lampenschein ließ Daoramus Augen wie Barinsteine funkeln. »Wir waren in der Eishöhle gefangen, und ein Zauber ließ die Zeit dort schneller vergehen als außerhalb. Als wir schließlich aus der Höhle ausbrachen und heimkehrten, hatte Noroelle das Kind des Devanthar längst geboren und vor der Elfenkönigin in Sicherheit gebracht. Sie brachte es in diese Welt – auf den Kontinent jenseits des Meeres im Westen. Dafür verbannte die Königin Noroelle in ein Gefängnis in der Zerbrochenen Welt.«
»Eine zerbrochene Welt?«, fragte Daoramu und biss sich auf die Lippen.
»Sie zerbrach im Kampf zwischen den Alben und den Devanthar«, sagte Nuramon. »Bis schließlich nur noch Inseln im Nichts übrig waren. Erreichen kann man sie über die Albenpfade, doch die Königin sprach mithilfe eines magischen Stundenglases einen Zauber auf das Tor, sodass Noroelle dort gefangen blieb. Als der Zauber gesprochen war, zerschlug sie das Stundenglas, und der Sand verteilte sich in alle Winde. Ich flehte die Königin um Gnade für Noroelle an, doch sie sprach von der Gefahr, die das Kind barg, und dass es getötet werden müsse. Und ich willigte in meiner Verzweiflung ein, alles zu tun, was nötig war.«
»Du wolltest das Kind deiner Geliebten töten?«, fragte Daoramu und blickte ihn zweifelnd an. Er fragte sich, wie viele seiner Worte es noch bedurfte, bis die Verachtung in ihre Züge schlich. Er hätte es nur zu gut verstanden.
Obwohl er sich vor Daoramus Reaktion fürchtete, sprach er weiter: »Ich war bereit, Noroelles ganzen Hass auf mich zu ziehen, ihre Verachtung, nur um ihr das Schicksal der ewigen Gefangenschaft zu ersparen. Es gab ja noch Farodin, den sie lieben durfte. Doch das Schicksal wollte es, dass Farodin mich bemerkte und darauf bestand, mich zu begleiten.«
»Und ihr habt dann tatsächlich ein Kind getötet?«
Daoramus zweifelnder Blick ließ ihn erneut zögern. »Als wir aus der Eishöhle hinauskamen, waren auf magische Weise fast dreißig Jahre vergangen«, sagte er schließlich. »Als Mandred in sein Dorf zurückkehrte, war seine Frau tot. Wir fanden Noroelles Sohn erst nach einer Weile. Er war erwachsen. Ein Heiler, der den Menschen half. Doch seine Magie war durch den Devanthar vergiftet. So, wie sie die Menschen heilte, so tötete sie Elfen. Wir näherten uns ihm im Verborgenen, und zwei meiner Gefährten fielen einfach tot um. Und da erkannte man sie als Elfen, und die Menschen konnten sich nicht erklären, was geschehen
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