Nuramon
erklärte die Schwertfürstin. »Sie wollten sich nicht ergeben. Da haben wir sie mit Pfeilen von den Pferden geholt. Dann aber sahen wir in der Ferne ein halbes Dutzend Reiter, die kehrtmachten und davonritten. Sie sind uns leider entkommen.«
Nerimee trat an seine Seite. »Dann werden wir uns also auf einen Kampf vorbereiten müssen.«
»Nur ruhig«, sagte Nuramon. »Noch wissen sie nur, dass die Ilvaru sich hier irgendwo befinden. Sie werden mehr Späher schicken und ihre Streitmacht nach Westen absichern, weil sie einen Angriff fürchten. Wir machen einfach weiter.«
Nerimee legte ihm die Hand auf die Schulter. » Ich mache weiter. Du schläfst ein wenig.« Nuramon lächelte, weil ihr Tonfall ihn an den ihrer Mutter erinnerte.
»Also gut«, sagte er, wies Byrnea und ihren Kriegern den Weg zu den Ruhezelten der Ilvaru und reichte Nerimee einen der bleichen Steine, den er noch immer in Händen hielt. Die Zielsicherheit, mit der sie ihn in das Mosaik unter dem Siegel einfügte, machte ihn stolz. Nerimee zeigte ihm einmal mehr, dass sie ihn in der Artefaktmagie längst überflügelt hatte.
Daoramu erwachte im Zelt und fand Nuramon neben sich. Er starrte ins Leere.
»Was hast du?«, fragte sie.
»Ich denke darüber nach, was hinter dem Siegel liegt«, sagte er. »Was, wenn da ein Albenstern mit einem Pfad wartet, der in eine andere Welt führt? Was, wenn Emerelle noch viel weiter gedacht hat, als ich es mir je vorstellen konnte?«
»Du meinst, es könnte ein Albenstern sein, bei dem ein Pfad nach Albenmark führt?« Der Gedanke öffnete ein gewaltiges Tor in ihrer Vorstellung.
»Die Siegelmagie ist beinahe vergessen. Ich bin wohl das einzige Albenkind, das sich ihrer noch erinnert. Hätte der Zauber, der Albenmark von Dayra und der Zerbrochenen Welt trennte, nicht einen verborgenen Pfad übersehen müssen?«
»Ich weiß es nicht, Nuramon«, sagte sie, und er lächelte, wie so oft, wenn sie seinen Namen sprach.
»Stell dir vor, wir würden nach Albenmark hinüberschreiten, wo uns Emerelle, Obilee und Yulivee erwarten.«
Sie fuhr ihm durchs Haar. »Eine schöne Vorstellung«, sagte sie.
»Stell dir vor, meine Sippe und die Zwerge würden mit einer Streitmacht warten, weil Emerelle meine Wiederkehr voraussah.«
Daoramu musste lächeln. »Jetzt ist es ein Wunschtraum.« Sie schmiegte sich an ihn und atmete entspannt aus.
Als Nuramon Stunden später an Daoramus Seite aus dem Zelt trat, kam es ihm vor, als wäre er über die Albenpfade in ein anderes Lager gelangt. Die Krieger hatten Gräben ausgehoben, angespitzte Pfähle ragten aus dem Boden, und die Zelte standen nun dicht an dicht und bildeten so einen weiteren Ring um die Zaubersteine und das für Menschenaugen unsichtbare Siegel. Nach Westen hin hatten sie einen Eingang geschaffen, einen Weg zum übrigen Zeltlager und zu den Pferden.
In der Mitte waren die Zaubersteine zu einem Haufen aufgeschichtet, der für das Auge nicht geordnet schien, dessen magische Ströme auf Nuramon aber wie ein geflochtener Kranz wirkten.
Nuramon aß und trank etwas mit Daoramu und Nerimee, und schließlich stellte er sich vor den Steinhaufen und ging in Gedanken den Zauber durch, der immer einen stetigen Strom der Magie benötigte, wie ein Wasserrad, das vom Fluss angetrieben wurde. Er musste nur dafür sorgen, dass der Fluss stets in die richtige Richtung floss und der Zauber nicht von den Fluten erstickt wurde. Dazu würde er mit seinen Sinnen der Welt entschwinden, und er würde mit der Magie und dem Siegel allein sein. Indes würden ringsumher die Dinge weiter ihren Lauf nehmen; wie im Zwergenreich, als seine Gefährten ihn gebraucht hätten, während er in den Tiefen seines Zaubers versunken war.
»Wir werden auf dich aufpassen«, sagte Daoramu, als er sich in den Schneidersitz niederließ.
»Und auch auf euch?«, fragte er.
Nerimee nickte. »Denk du nur an den Zauber. Wenn du ihn schnell zu Ende bringst, können wir davonreiten.«
Daoramu küsste ihn noch einmal auf die Stirn. »Wenn wir merken, dass die Magie zur Neige geht, werde ich dir alles zuspielen, was ich habe.«
»Es wird schon reichen«, sagte Nerimee. »Die Steine sind so angeordnet, dass dir die Macht kräftig und gleichmäßig zufließen sollte.«
Nuramon atmete tief durch, schaute seine Frau und seine Tochter noch einmal an und blickte sich suchend nach Nylma und Yendred um.
»Sie verhandeln mit den Hirten und Bauern über Vorräte und machen eine Runde«, erklärte Daoramu. »Du denkst jetzt
Weitere Kostenlose Bücher