Nuramon
einen dehnenden Widerstand traf, und löste sich von ihr. Auch Nerimee erhob sich, und alle drei schauten am rechten Bein Loramus hinab. Es endete in dem Geflecht unterhalb des Knies und unten auf dem Boden verschob sich der Fuß mit Loramus Bewegungen.
»Wie fühlt es sich an?«, fragte Daoramu.
Loramu löste den Blick nicht von dem Fuß. »Es ist, als hätte ich ein Storchenbein«, sagte sie und kicherte.
Lachend tauschte Daoramu Blicke mit Nerimee. Ihre Tochter grinste wie das kleine Mädchen, das sich vor Jahren an ihren ersten Zaubersprüchen erfreut hatte.
Nuramon saß auf der Steinbank im Garten und schaute in die Stadt hinab und betrachtete all die Lichtsteine, die dort in den Stofflaternen leuchteten. Wie leicht die Menschen Magie annahmen und zu etwas Nützlichem gebrauchten! Früher war die Nacht in den Straßen finster gewesen, und nur einige einsame Öllampen, Fackeln oder Feuerschalen hatten Licht gespendet. Doch nun, da die Magie im Überfluss vorhanden war, erstrahlte die Stadt bei Nacht. Was würde wohl geschehen, wenn die magische Flut endete? Würden sich die Städte des Westens bei Nacht wieder in Finsternis kleiden?
Nerimee würde gewiss einen Weg finden, die Licht- und die Wärmesteine so weit verbreitet zu halten, dass sie nicht wieder als Wunder galten. Unten in den magischen Hallen waren so viele Quellsteine angesammelt, dass sie für mehr als fünfzig große Siegelzauber ausreichen würden. Wenn die Steine, welche die Ilvaru in sechzehn Kisten gepackt hatten, auf den Himmelswiesen zum Erfolg führten, würde die Palastklippe von Jasbor trotzdem noch auf Jahre hin ein von Magie durchdrungener Ort sein.
Nuramons Blick wanderte über die Flussmündung den Lichtpunkten entgegen, die sich die Lysdorynen entlangzogen. Auf den Himmelswiesen jenseits des Arljas würde es sich entscheiden. Vor Tod oder Schmerz fürchtete er sich längst nicht mehr, er sehnte sich nicht mehr nach dem Mondlicht, und die Wiedergeburt bedeutete ihm nichts. All seine Sehnsucht galt einer Zukunft mit Daoramu. Und obwohl er fürchtete, sie nach dem großen Siegelzauber für immer zu verlieren, war er bereit, das Wagnis einzugehen.
Als die Sonne über die Lysdorynen emporgestiegen war, kam Daoramu zu ihm. »Wir sind bereit«, sagte sie, und er erhob sich und schloss sie in die Arme. Sie trug die leichte Rüstung einer Königsgardistin, das Haar zum Pferdeschwanz gebunden, am Gurt ein Kurzschwert mit einer groben Scheide, die Nylma früher einmal getragen hatte. »Du siehst aus wie eine Kriegerin.«
»Dann solltest du erst mal Nerimee sehen«, sagte sie.
Sie fasste seine Hand, schaute kurz in den erwachenden Tag hinaus und führte ihn dann in den Palast zurück.
In der Eingangshalle waren die anderen. Yendred, Lyasani und Salyra waren ebenso in die waldfarbenen Rüstungen der Ilvaru gehüllt wie Loramu, die tatsächlich das magische Bein trug, an dem Nerimee gearbeitet hatte. Sie wirkte zwar recht unsicher, aber sie brauchte keine Krücken mehr, sondern begnügte sich mit einem Kampfstab, den sie als Gehstock nutzte.
Nylma trug wie Daoramu und Nerimee die sandfarbene Rüstung einer Königsgardistin, dazu wie so oft ein rotes Halstuch. Doch statt des roten Mantels der Königsgarde trug sie wie die anderen einen grünen Mantel mit dem Baumwappen von Yannadyr. Yendred hatte für die Ilvaru Grün als die Farbe des Feldes gewählt. Alle Rüstungen stammten aus der königlichen Manufaktur. Sie waren von Nerimees Zauber durchwoben, und zwischen den beiden dünnen Schichten aus Leder und Stoff lag das verzauberte Pflanzengeflecht.
Jaswyra war mit Gaeria, Terbarn, Helgura und den Ammen da. Während Nerimee Gaerigar in Armen hielt und ihm erklärte, dass sie bald wiederkehren würde, hatte Salyra Obilee auf dem Arm, und Yendred drückte gemeinsam mit Lyasani Yulivee an sich.
»Wir kehren bald wieder«, sagte der König. Er trug als Grundlage ebenfalls die Rüstung der Königsgarde, doch sein Oberteil bestand aus dem Wappen Yannadyrs. Der silberne Baum spannte seine Äste über die gesamte Brust.
»Es dauert nicht lange«, erklärte Daoramu. Und als Ceren erschien, um »Auf bald« zu sagen, ließ sich auch Nuramon darauf ein, sagte »Bis bald, Ceren!« und entlockte dem Baumgeist ein liebliches Lächeln.
Der Abschied von den Kindern fiel Nuramon schwerer, als er es erwartet hatte. Die Bedrückung Yendreds, Lyasanis und Salyras sprang ebenso auf ihn über, wie Daoramus Kniefall vor den Kindern. Sie schloss ihre Enkel in
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