Nuramon
nur noch an den Zauber. Alles andere überlässt du uns.«
Das war leichter gesagt als getan. Hielte er den Siegelstab seiner ersten Eltern in Händen, wäre das Werk binnen eines Augenblickes getan. So aber dachte er an die Worte, die seine erste Mutter ihm gesagt hatte und die den Zauber unterstützten, weil sie die Gedanken lenkten. Er sprach die Worte aus, deren Bedeutung er nicht kannte, die aber beinahe elfisch klangen, und nach einer Weile fügte er den Zauber hinzu. Er nahm zunächst nur seine eigene Magie, bis er das Siegel vor seinen geschlossenen Augen sah. Der Schein durchdrang seine Lider, wie das Licht, das in der Wüste durch den Sand und in den Bergen durch den Fels gedrungen war. Er fühlte sich wie in einem dunklen Raum, in dem er durch ein Fenster in den Tag hinausblickte, dann die Augen schloss, und die Fläche des Lichtes noch immer in seinem Blick brannte.
Er knüpfte ein Band an die Quelle der Magie, die vor ihm im Kreis strömte, und eines an das Siegel. Nun begann er den eigentlichen Zauber, begleitet von den elfischen Silben und lauschte mit den Zaubersinnen auf den Fluss der Magie. Tatsächlich nagte er an der Macht des Siegels, und so versuchte Nuramon, den Zauber zu beschleunigen, indem er mehr Kraft aus dem Steinhaufen zog und auf das Siegel lenkte. Die Magie rauschte stärker, und er spürte, wie sie sich hauchdünn in das Siegel fraß.
Er merkte, dass er nicht nur die Augen, sondern auch seine anderen Sinne vor der Welt um ihn herum verschlossen hatte. Die Geräusche, die ihn umgeben hatten, der Lufthauch, der sich wie ein Tuch um seine Stirn gelegt hatte; das und alles andere war fort. Er war nun in der Finsternis des Zaubers, in der er nur das leuchtende Siegel sah und die unsichtbare Kraft der Quellensteine wie einen Wasserstrudel spürte. Er schärfte seine Sinne und zwang sich zu höchster Wachsamkeit. Wenn die Bänder, die sich zwischen der Quelle und ihm spannten, zu dünn wurden und abrissen, wäre der Zauber vertan.
Wie viel Zeit draußen verging, wusste er nicht. Er fühlte sich wie an manchen Tagen, wenn er erwachte, aber noch nicht bereit war aufzustehen. Dann sangen die Vögel bereits draußen, und er wartete darauf, dass die Sonne aufging, schlief immer wieder ein und stellte beim Erwachen fest, dass die Sonne noch nicht aufgegangen war.
Es war wie im Halbschlaf nach einer langen Schlacht, wenn er einnickte und sich die Gespräche der Krieger in seinen Traum schlichen, er aber beim Erwachen nicht sagen konnte, was er vernommen hatte und was seinem Traum entsprungen war. Nur war es nun ein klarer Traum, eine Wachsamkeit, die jeden Augenblick bewusst wahrnahm.
Er glaubte Regen zu riechen und stellte sich vor, wie die Himmelswiesen an einem trüben Tag aussehen mochten. Als der Regen davonrauschte, vernahm er die Stimmen seiner Vertrauten. Byrnea sagte, dass König Mirugil mit einer großen Streitmacht im Osten lagere. Aber das konnte nicht sein. Der König befand sich nicht zwei Stunden entfernt, sondern Jahre in der Vergangenheit.
»Dann wissen sie es«, hörte er Yendred sagen. »Es sind die Helbyrnianer.« Und direkt danach sagte er: »Ich habe ihnen mit den Zauberpfeilen die magischen Steine entfacht.« Es musste Zeit zwischen der ersten Erkenntnis und der folgenden Tat vergangen sein. »Zehntausend Krieger!«, sagte Salyra, und Nylma erklärte: »Das ist die ganze helbyrnianische Streitmacht.«
»Vielleicht sollten wir abziehen«, flüsterte sein Sohn. »Uns ordnen, dann den Kampf um Varlbyra angehen, die Feinde schlagen, und, wenn alles vorbei ist, wiederkehren.« Dann trieb wieder Nerimees Stimme am Rande seiner Wahrnehmung vorüber. »Nein«, sagte sie. »Falls sie sich hier festsetzen, bekommen wir die Gelegenheit vielleicht nie wieder. Abziehen können wir immer noch. Gewinnen wir einfach ein wenig Zeit.«
Die Stimmen verhallten in der Ferne, und Nuramon merkte, dass die Fäden, die von ihm ausgingen, dünn geworden waren und stärkte den Zauber. Er sprach die fremden Silben und dachte an die Macht, die er lenken musste.
Kaum hatte er die magischen Fäden wieder zu Adern verdickt, kehrten auch die Stimmen zurück. Sie sprachen von der Ankunft der Alvarudorer, und Nuramon fragte sich, ob das etwas Gutes oder etwas Schlechtes war. Sie hatten die Alvarudorer aus allem herausgehalten, weil Borugar Sawagal nicht länger vertraute. Doch Nerimee sprach nicht Sawagals Namen, sondern den seines Freundes Oregir, der ebenfalls Nerimees Schüler gewesen war. Und
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