Nuramon
die Baumgeister. Du bist, wie wir einst waren. Von Magie durchdrungen, aber ahnungslos.«
Die Orakel traten näher, doch nur die langgewachsene Frau mit den dicken Zöpfen trat an sie heran. Sie schaute in ihre Gesichter herab und strich Nuramon über die Wange. »Dies ist das Ende.« Sie wies umher, und die Orakel machten ihrem Blick Platz. Draußen in der Landschaft erwachten die unzähligen Felsen zum Leben. Nebelgestalten richteten sich im Licht auf. »Dort erheben sich die Geister von Dayra«, sagte das langegewachsene Orakel. »Sie sind das, was wir alle einst waren – so unschuldig wie Kinder. Wir wollten ihnen das Schicksal der Geister der Zerbrochenen Welt ersparen. Den Wahnsinn und den Hass.«
»Dann werden sie die Wunden schließen, welche die Tjuredanbeter schlugen?«, fragte Nuramon.
Das große Orakel nickte. »Wir werden mit ihnen in die Welt hinausgehen, uns niederlassen und tun, was uns bestimmt ist. Die Geister werden das magische Gefüge wieder zusammenflechten, es bewahren und den alten Schatten den Halt nehmen. Es wird sein, was ohne die Devanthar hätte sein sollen.«
»Dann ist der Kampf gegen die Devanthar also gewonnen«, sagte Nuramon.
»Du hast einen alten Kampf zu Ende gebracht«, sagte das große Orakel. »Dein Schicksal ist erfüllt. Verweile hier mit deiner Liebsten, und das Mondlicht wird kommen.«
»Und was wird aus Daoramu?«, fragte er.
Der blonde Mann antwortete: »Sie wird ihre Macht zu nutzen lernen und den Menschen näher sein als irgendjemand von uns. Sie wird ihr Wesen nicht wandeln wie wir, die wir nur ein Schein sind. Sie wird ein Orakel in Fleisch und Blut sein.«
»Ein Orakel?«, sagte Daoramu leise und schüttelte staunend den Kopf.
»Das war deine Bestimmung«, sagte der Mann.
»Wie viel Zeit haben wir noch?«, fragte sie.
»Genug Zeit, um Abschied zu nehmen«, sagte das Orakel mit dem Wellenhaar.
Süßer Blütenduft schwebte in der Luft, und Nuramon verließen die Kräfte. Daoramu vermochte ihn nicht zu halten. Sie fing ihn gerade noch in der Hocke auf und setzte sich mit ihm im Arm. »Ein Orakel«, flüsterte Nuramon und schaute Daoramu in die Augen. »Damit hättest du nicht gerechnet«, sagte er.
Daoramu liefen die Tränen über die Wangen und tropften auf ihn herab. Sie schüttelte den Kopf. »Aber was bedeutet das ohne dich?«
»Denk an Nylma«, sagte er. »Wenn sie über Yargir hinwegkommen konnte, wirst du über mich hinwegkommen.« Seine Schmerzen schwanden, und er fühlte nur noch die Magie – jene, die tief in ihm schlummerte, und jene, die ihn umgab.
Daoramu nickte nur. »Es ist ein wunderschöner Duft«, sagte sie.
Er vermochte es nicht mehr zu riechen. Er spürte die Magie, die sich wie Fäden von allen Seiten zu ihm hinspannte. »Eines noch«, sagte er und schaute zu den Orakeln auf. »Ihr werdet jenen, die da draußen gegen die Diener der Devanthar kämpfen, zu Hilfe eilen, nicht wahr?«
Die Orakel tauschten ausdruckslose Blicke. »Es ist nicht an uns, einen Kampf zu entscheiden, der bereits entschieden ist«, sagte die langgewachsene Frau.
»Entschieden?«, fragte Nuramon. »Wie ist es ausgegangen?«
»Eure Verbündeten werden die Schlacht verlieren. König Tyregol wird überleben, König Borugar wird sterben, weil niemand mehr da sein wird, der ihm ein Tor über die Lebenspfade öffnet.«
»Und Yendred und Nerimee?«, fragte Daoramu.
»Sie werden sterben«, sagte das blonde Orakel.
Nuramon schüttelte den Kopf. »Das kann nicht der Lohn all der Mühen sein. In dem Wissen zu entschwinden, dass alle, für die ich kämpfte, sterben werden!« Er hustete und schmeckte Blut. »Warum habt ihr mich nicht belogen?«
»Das war nicht möglich«, sagte das langgewachsene Orakel.
»Ihr könnt lügen. Euresgleichen sagt immer, was gesagt werden muss.«
»Aber wir wissen nicht mehr, was gesagt werden muss. Wir wissen, was geschehen wird, wenn wir nichts tun. Wir sind hier im Herzen von Dayra, umschlossen von einem magischen Meer. Wenn wir hinausgingen, würde etwas Neues beginnen.«
»Dann tut etwas«, sagte Nuramon. »Schmiedet das Schicksal. Zum Dank, dass wir dieses Weges kamen und euch befreiten.« Nuramon wurde schwindelig. »Was ist das?«, fragte er, während Daoramu ihm über die Stirn strich.
»Du stirbst«, sagte das Orakel mit dem Wellenhaar. »Und mit dem Tod entschwindest du ins Mondlicht.«
»Und wenn er lebt?«, fragte Daoramu und fasste Nuramons Hände. »Wenn ich ihm die Kraft schenken könnte zu leben?«
»Das vermagst
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