Nuramon
Befehl kommt, dürfen wir das Land der anderen Grafen nicht ohne deren Erlaubnis mit Kriegern durchqueren. Die Frage ist, ob wir auf den Zauberpfaden wandern dürfen, ohne unsere Rechte zu überschreiten.«
»Daoramu ist sich dessen sicher«, sagte Borugar. »Als Markgraf darf ich über die Grenzen hinausgehen und Beute machen. Man gewährte den Grafen entlang des Gebirges viele solcher Rechte, weil es einst überall in den Sümpfen vor Räuberbanden nur so wimmelte. Wir dürfen uns so lange frei bewegen, wie ein Befehl des Herzogs oder des Fürsten es uns nicht verbietet, wir die Rechte eines anderen Fürstentums nicht verletzen und Bündnisse mit anderen Reichen nicht brechen.«
»Aber der Herzog und der Fürst könnten es jederzeit verbieten«, erklärte Jasgur.
Borugar schüttelte den Kopf. »Was sie nicht wissen, kümmert sie auch nicht. Und ehe sie uns irgendetwas verbieten können, ist die ganze Sache bereits geschehen.« Er schaute in die Runde seiner Schwertfürsten. »Wer von euch kann seine Krieger am schnellsten auf den Weg bringen?«, fragte er.
»In drei Tagen wäre ich bereit«, sagte Malgor. Der breitgewachsene Krieger befehligte die Doranyrische Garde, die größte Streitmacht in der Grafschaft.
»Ist irgendwer schneller?«, fragte Borugar.
»Zwei Tage«, antwortete Tyremul, der Jüngste unter den Schwertfürsten.
Daoramu sah, wie der Blick ihres Vaters zurück zu Jasgur wanderte.
»Heute Nachmittag sind die Merelbyrer bereit«, sagte der Krieger grinsend.
»Wie das?«, fragte Borugar, der über Jasgurs Antwort ebenso überrascht zu sein schien wie die anderen Schwertfürsten.
Jasgur wies auf die Teredyrer und Nuramon. »Sagen wir es so: Als ich sie sah, überkam mich ein merkwürdiges Gefühl. Außerdem haben meine Leute nicht verwunden, dass der Fürst uns aus Weramul fortschickte. Sie wollen etwas bewegen und die Demütigung vergessen.«
»Dann sollen es deine Krieger sein, Jasgur«, erklärte Borugar. Nun wandte er sich an Werengol und sagte: »Ich gebe dir meine besten Leute. Wenn einer eure Stadt zurückerobern kann, dann Jasgur.«
»Wir werden euren Schwertfürsten mit Respekt behandeln«, erklärte Werengol. »Du bist also einverstanden und gehst auf den Handel ein?«
Borugar nickte. »Wir zahlen die Summe, die ihr wünscht, sofort. Dafür erhalten wir die Hälfte der Waffen, ganz gleich, wie der Kampf ausgeht – und die andere, wenn die Stadt befreit ist.« Er wandte sich an Nuramon. »Nun zu dir. Dir gilt mein besonderer Dank. Ich könnte dich nun mit Gold oder Silber belohnen, doch ich habe den Eindruck, dass dir ein solches Geschenk wenig bedeutet.«
»So ist es«, sagte Nuramon.
»Und sicher dürfte dir klar sein, welche Bedeutung deine Macht in diesen Zeiten haben kann.«
Nuramon nickte.
»Was also muss ich tun, damit du einer meiner Schwertfürsten wirst?«
Nuramon schwieg lange und musterte die Krieger des Grafen. Schließlich sagte er: »Ich bin in meiner Entscheidung erst dann frei, wenn Teredyr von den Varmuliern befreit ist. Dann wäre ich dazu bereit, in deinen Dienst zu treten – unter einer Bedingung.«
»Was immer du willst, ich werde es tun«, entgegnete Borugar.
»Erlaube mir, um deine Tochter zu werben, und ich kämpfe nach Teredyrs Befreiung für dich.«
Daoramu traute ihren Ohren kaum. Ein Liebesgeständnis, ohne dass er ahnte, dass sie es hören konnte. Ein Geständnis, das noch nicht für ihre Ohren bestimmt war. Die Hitze schoss ihr in die Stirn, und sie schämte sich, hier oben heimlich zu lauschen.
»Du hast mein Wort«, sagte Borugar.
Daoramu tauschte einen verwunderten Blick mit ihrer Mutter, doch diese flüsterte »Komm!« und zog sie fort. Das Letzte, das Daoramu dort unten bemerkte, ehe ihre Mutter sie endgültig fortführte, war Jasgurs erstarrte Miene. Und diese hatte sie noch immer vor Augen, als sie kurz darauf mit ihrer Mutter in ihr Zimmer zurückgekehrt war.
»Bring uns einen Tee, bitte«, sprach Jaswyra zu Gaeria, und die Dienerin beugte ihren fülligen Körper vor ihnen und verließ dann das Zimmer.
»Hast du das gehört?«, fragte Daoramu ihre Mutter. »Was Nuramon gesagt hat, meine ich.« Sie konnte es nicht glauben. Sie hatte zwar zuerst gedacht, dass Nuramon in jener Nacht, da er ihr seine Geschichte erzählt hatte, kurz davor gestanden hatte, einen Annäherungsversuch zu wagen. Er hatte ihr eine Strähne aus dem Gesicht gestrichen, nachdem sie ihm vorsichtig über die Wange gefahren war. Doch schon am nächsten Morgen
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