Nuramon
spielst, umso wahrscheinlicher ist es, dass er überlebt. Offenbarst du ihm deine Liebe nun, könnte er im Liebesrausch unachtsam werden.«
Der Drang zu Nuramon zu gehen und sich ihm zu offenbaren, brannte noch in Daoramu, aber ihre Mutter hatte recht. Sich aber von ihm zu verabschieden und nichts zu offenbaren, erschien ihr unmöglich. Gewiss, schweigen konnte sie. Aber die Hitze, die ihr in Wellen zu Kopf stieg, würde er an ihren roten Wangen ablesen können.
Es klopfte an der Tür, und ihr Vater betrat das Zimmer. Er strahlte vor Freude. »Weißt du, worum der Alvaru mich bat, damit er in meinen Dienst tritt?«, fragte er und kam näher.
»Er möchte um mich werben«, antwortete sie und wäre ihrem Vater am liebsten um den Hals gefallen.
»Du weißt es schon?«
»Unser Haus hat Augen und Ohren«, sagte Jaswyra schmunzelnd.
»Und? Bist du ihm – geneigt?«, fragte er Daoramu.
Daoramu atmete tief durch, dachte an Nuramon und musste lächeln. »Ich bin ihm – geneigt«, sagte sie leise.
Als Nuramon am Nachmittag mit Jasgur, Nylma und Yargir ins Freie trat, erkannte er, dass Borugars Schwertfürst Wort gehalten hatte. Hundert voll gerüstete Krieger standen mit ihren Pferden auf dem Platz und nahmen Haltung an, als Nuramon neben Jasgur die Stufen hinabschritt. Die Kriegsschar schien ihrem Anführer in allem nachempfunden. Es waren kräftige Männer mit kurzem Haar und entschlossenen Mienen. Sie alle trugen Schuppenpanzer und die gleichen braunen Mäntel, setzten sich die gleichen mit grünen Federn geschmückten Metallhelme auf, und bis hin zu den Pferdedecken schien alles aus einer Manufaktur zu stammen.
»Das sind die grimmigsten Mienen, in die ich je geschaut habe«, sagte Yargir, als sie am Fuße der Treppe angekommen waren und auf den Grafen und Werengol warteten.
»Danke«, entgegnete Jasgur.
»Es fehlen nur ein paar Frauen«, sagte Nylma.
»Das wäre schlecht für die Moral«, erklärte der Schwertfürst.
»Warum?«, fragte Nylma mit harmloser Stimme.
»Die Reize von Frauen könnten sie verwirren.«
»Und die Reize von anderen Männern?«, fragte Nylma betont unschuldig und zwinkerte dem Schwertfürsten zu.
Jasgur wurde rot, verharrte kurz und schritt dann wortlos zu seinen Kriegern.
Nuramon wunderte sich. Er hatte erwartet, dass der Schwertfürst lachen und Nylma für ihren Konter ein Kompliment aussprechen würde. Doch es schien, als hätte er sich in Jasgur getäuscht.
»Ich glaube, du hast ihn beleidigt«, sagte Yargir leise.
»O, die Schamhaftigkeit! Ich liebe die Königreiche und Fürstentümer. Erwähne einen Mann, der einen Mann begehren könnte, und ihnen schießt die Schamröte ins Gesicht. Wenn sie auch nur einen Tag in unseren Minen Mittagspause machen würden, würden sie vor Scham tot umfallen.«
»Die Mittagspause in den Minen?«, fragte Nuramon und vermutete, dass die Teredyrer ihm nichts davon erzählt hatten, weil sie ihm eine noch viel größere Schamhaftigkeit unterstellten als den Menschen in den Königreichen und Fürstentümern.
Yargir grinste. »Hast du etwa noch nie von den Liebesgrotten gehört? Abends, wenn die Arbeit ruht, treffen sich die Liebenden dort. Aber zur Mittagspause finden in einigen der Grotten Dinge statt, die du nicht glauben würdest.«
»Ich bin leichtgläubig«, sagte Nuramon und bemühte sich, schelmisch zu lächeln.
»Heute Abend erzählen Yargir und ich dir einiges, und dann werden wir sehen, wo deine Schamgrenze liegt.« Nylma lachte und erzählte ihm, dass Yargir und sie sich in den Liebesgrotten gesehen hatten, aber nie zusammengekommen waren. Sie hatten beide die Zurückweisung gefürchtet.
»Von einer Frau zurückgewiesen zu werden, die dich nicht liebt, ist leicht zu verkraften«, sagte Yargir. »Aber ich wäre gestorben, wenn Nylma mich abgewiesen hätte.«
Nylma lächelte und schaute an ihm vorbei. »Das, mein lieber Yargir, interessiert Nuramon sicher nur halb so sehr wie die Frau, die dort kommt.«
Nuramon wandte sich um und sah, wie Daoramu sich ihnen an der Seite ihrer Eltern und Werengol näherte. Ihr grünes Kleid mit den kleinen Schlangenstickereien war körperbetont geschnitten, und das hochgesteckte Haar lenkte seinen Blick direkt auf ihr Gesicht und dann hinab zu ihrem makellosen Hals. Die letzten Worte, die der Graf an ihn und Werengol richtete, hörte Nuramon nur bruchstückhaft; ebenso wie Jasgurs Versprechen, Teredyr zu befreien und mit den Waffen zurückzukehren. Daoramus Lächeln, das ihm zu gelten schien, zog
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