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Nuramon

Nuramon

Titel: Nuramon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sullivan
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Brust und Nuramon auf und ab. Doch schon formierten sich einige seiner Männer hinter ihm und stützten ihn.
    Rayagor schluckte. Zu sprechen schien ihm die letzte Kraft abzuverlangen. »Tötet ihn!«, hauchte Rayagor schließlich. Dann knickten ihm die Beine ein, und er ließ sich nach hinten fallen und von seinen Gefährten forttragen.
    Nuramon spürte Dutzende von Wunden an seinem Leib und den Fluss des Blutes, der daraus hervordrang. Aber ganz gleich, wie groß die Schmerzen waren, er würde nicht aufgeben. Dass Rayagors Krieger sich ihm nun gemeinsam näherten, scherte ihn nicht. Fünf von ihnen streckte er mit einer fließend ausgeführten Hiebfolge nieder, und wieder trieb die Angst die Verbliebenen für einen Augenblick zurück. Dass das nicht reichen würde, zeigten die nachrückenden Schwertkämpfer und Spießträger. Es waren zu viele. Er würde sie nicht alle mit dem Schwerte besiegen können.
    In diesem Augenblick fällte Nuramon einen Entschluss. Er würde so einen gewaltigen Zauber wirken, dass das Mondlicht nicht anders konnte, als ihn hinfortzureißen. Was, wenn verlorene Seelen, falls kein Weg zur Wiedergeburt führte, einfach ins Mondlicht schwebten? Was, wenn man dort einging, wenn man nicht mehr auf der Suche war und nichts mehr fürchtete?
    Je länger die Feinde warteten, umso größer wuchs Nuramons Zau ber unsichtbar empor. Er ballte die linke Faust und ließ die Macht durch seinen Körper strömen. In diesem Moment hatte er nicht mehr den Eindruck, eine Quelle der Magie zu sein. Er war vielmehr wie ein Flussbett, durch das unerschöpflich Wasser floss. Dieses Wasser war es, das auch die Angst fortspülte, das eigene Schicksal vielleicht nicht zu erreichen oder hier in der Menschenwelt den Tod zu finden. Nuramon fürchtete sich nicht mehr, und auch der leise Klang der Trauer hielt ihn nicht zurück. Gewiss, er hätte Daoramu gern wiedergesehen und gemeinsam mit ihr herausgefunden, wohin die Liebe sie geführt hätte. Jetzt aber blieb ihm keine Wahl; und darin, dass es endete, ehe etwas erwachsen konnte, lag ein gewisser Trost. Daoramu wäre ein Teil seiner Zukunft geworden; dessen war er sich sicher. Aber eine Zukunft blieb ihm nicht. Es gab nur das Hier und Jetzt, und es stellte sich nur noch eine Frage: Wofür würde er sein Leben lassen? F ür die Teredyrer zu sterben, so dachte er, war ihm wertvoll genug. Und mit diesem Gedanken übergab er sein Schicksal der Kraft der Magie.
    Im nächsten Moment wurde ihm weiß vor Augen, so hell strahlte der Zauber. Ob die Magie Blitze, Feuer oder Wind erzeugte, wusste er nicht. Er hörte nur die Stimmen Dutzender Menschen – kehlige Schreie, Gurgeln, Kreischen und immer wieder den Ruf: »Weg, weg, weg!«
    Dann wurde es still um Nuramon, und er spürte, wie ihm die Beine nachgaben. Voller Hoffnung sog er die Luft ein, auf der Suche nach jenem Blütenduft, nach dem er sich in all seinen Leben gesehnt hatte. Doch alles, was er roch, ehe ihm die Sinne schwanden, waren Blut und glühendes Eisen.

Herzöge und Helden

    Daoramu war endlich zurück in ihrer Studierstube. Einst hatten sich in diesem Trakt des Hauses die Quartiere der Wachen befunden, doch seit das Anwesen von Mauern umgeben war, waren die Wachen im Turm stationiert. Und so hatte Daoramus Vater die Bibliothek direkt über der Eingangshalle eingerichtet; weit weg von seinen Gemächern. Er war ein Mann des Wortes, nicht der Schrift. Er liebte es, sich Sagen erzählen zu lassen und die Lieder aus den Mündern der Sänger zu hören.
    Auch Daoramu schätzte die mündliche Überlieferung, aber Sänger und Geschichtenerzähler zu halten war kostspielig, und die Zeit, in der diese ihr zur Verfügung standen, reichte Daoramu nicht aus. Sie wollte alles erfahren, was ihr Großvater in den Bänden der Bibliothek zusammengetragen hatte. Was in dem langen Saal gegenüber ihrer Studierstube lagerte, war ein Vermögen für Gelehrte, doch für Krieger war dieser Schatz kaum von Bedeutung – nicht einmal die Ahnenlisten oder die Chroniken des alten Königreichs Nylindor oder des Königreichs Varmul. Dennoch war der Schatz in ihrer Bibliothek stetig angewachsen, denn Daoramus Vater kannte die Liebe seiner Tochter für das geschriebene Wort. Er hatte ihr von seinen Reisen immer wieder neue Bände mitgebracht und dabei stets ihren Wunsch respektiert, ihr keine erbeuteten Bücher zu schenken.
    Morgens holte sich Daoramu die Bände, in denen sie an diesem Tag lesen wollte, in ihre Studierstube. Von dem einen

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