Nuramon
dass er Nuramons Kunstfertigkeit erkannte und fürchtete.
Über Rayagors Schulter hinweg sah Nuramon, dass die Varmulier die Barrikade überwanden. Kurz darauf kämpften sich die Ersten von ihnen bereits links und rechts den Schutzwall entlang. Ein Spießträger kam an Rayagors Seite und stach nach Nuramon, als dieser gerade einen Angriff auf den Wyrenar führte. Rayagor wehrte die Attacke mit dem Schild ab, während Nuramon den Kopf unter der Spitze des Langspießes hinwegduckte. Schon waren Rayagors kraftvoller Kampfschrei und sein Kriegshammer wieder über ihm, und auch wenn es Nuramon gelang, den Schlag von seinem Schädel fernzuhalten, konnte er nicht verhindern, dass der Dorn des Hammers ihm ins Bein drang. Sogleich drehte der Wyrenar am Schaft seiner Waffe und riss mit dem Dorn ein Stück Fleisch aus der Wunde.
Nuramon schrie auf, und da er fürchtete, der Schmerz werde ihn niederzwingen, linderte er ihn mit einem Stoß seiner Magie. Viel war von seiner Zauberkraft nach all den Heilungen und Angriffen nicht mehr geblieben. Doch den Schmerz nicht zu fühlen verlangte nicht viel.
Zwei Spießträger waren nun an Rayagors Seite. Der ersten Spitze wich Nuramon aus, den Schaft der zweiten Waffe schlug er mit dem Schwert beiseite. Da traf ihn der Hammerkopf Rayagors auf der Brust und sandte ihn zu Boden.
Rayagor stand nun zwischen einem halben Dutzend Kriegern, die Nuramon ihre Spieße und Schwerter entgegenhielten. »War das alles, Alvaru?«, fragte der Wyrenar mit spöttischer Stimme. »Du hast wohl nicht mit einem wie mir gerechnet, wie?«
»Im Krieg rechnet man immer damit, von irgendeinem verirrten Pfeil getroffen zu werden«, erwiderte Nuramon.
Rayagor lachte. »Ich bin also nur ein verirrter Pfeil!«
Nuramon ließ seinen Blick zur Barrikade gleiten. Dort waren nur noch Feinde. Immerhin hörte er noch Kampfgeräusche. Vielleicht war also doch noch nicht alles verloren.
»Töten wir ihn, ehe er zaubert«, schlug einer der Schwertkämpfer vor.
Rayagor nickte. »Tut es!«, sagte er ruhig.
Die Spitzen der Spieße gierten nach Nuramon. Er versuchte am Boden vor ihnen zurückzuweichen, und dennoch trafen ihn drei im Bein und eine im Bauch. Letztere versetzte ihm nur einen Schlag, durchdrang die Rüstung jedoch nicht. Die anderen aber brachten den Schmerz zurück, und damit erwachte die Wut. Nuramon nahm es hin, von einem Schwerthieb in der Seite getroffen zu werden; er kümmerte sich nicht darum, dass die Klinge seine Rüstung durchriss und in seine Haut eindrang. In diesem Augenblick spendete der Schmerz ihm Kraft und Klarheit. Langsam richtete er sich auf und bemerkte die aufkeimende Angst in den Mienen seiner Gegner. Dann sprang er vor und griff an. Als er dem ersten seiner Peiniger von einem raukehligen Schrei begleitet den Hals aufgeschnitten hatte, wichen die Varmulier zurück. Nur Rayagor rührte sich nicht von der Stelle und musterte ihn starr. »Du willst einen Heldentod, Alvaru?«, fragte er mit kühler Stimme. »Du wirst ihn bekommen.« Dann ließ er seinen Hammer kreisen und traf Nuramon binnen Kürze mit dem Hammerkopf an der Schulter und mit dem Dorn an der linken Hand.
Der Schmerz machte Nuramon rasend, aber er schwankte nicht. Selbst wenn sich hier und jetzt alles entscheiden würde – er war bereit. Nie mehr würde er seinem Schicksal davonrennen. Und jene, die ihn vom Weg seiner Bestimmung abbringen wollten, würde er vernichten, wie ein Drache, der über seine Beute kam.
Schlag um Schlag stieß Nuramon vor und fühlte sich wie damals, als er an der Seite König Wengalfs und der anderen Zwerge gegen den Drachen Balon gekämpft hatte. Was hatte der weise Thorwis zu ihm gesagt? Um den Drachen zu besiegen, musst du selbst zum Drachen werden; zu etwas, was dir fremd ist. Denn nichts verbindet dich mit den Drachen außer der Feindschaft. In diesem Augenblick waren Rayagor und dessen Gefährten der Drache Balon, und Nuramon führte sein Schwert gegen seinen Feind. Er war zu schnell für die Fänge des Drachen, zu flink für seinen Feueratem und zu standhaft, um vor seinen Klauen zurückzuweichen. Er hieb und stach, wich aus, sprang vor, schrie – und hielt dann inne. Es war Rayagors Anblick, der ihn aus dem Rausch des Schmerzes und der Wut zurück in die Gegenwart des Schlachtfeldes holte. Und was er sah, erstaunte ihn: Umgeben von Verletzten und Toten stand Rayagor schwankend mit gesenktem Kriegshammer und hängendem Schild da. Sein Blick wanderte zwischen der Schwertwunde in seiner
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