Nuramon
stehen, Helerur. Deine Lehren haben mich zu dem gemacht, was ich bin. Nun hast du meine Ausbildung, ohne es zu wollen, vollendet. Du kannst stolz sein. Aber vergiss nie, dass dir in mir eine Frau gegenübersteht, die wie du ist. Brichst du den Frieden, dann überlege dir, wie du darauf reagieren würdest. Und wenn du das getan hast, bedenke, dass auch ich es weiß und entsprechend handeln werde.«
Helerur musterte sie lange. Seine Mundwinkel zuckten. »Du willst Frieden? Du sollst ihn haben«, sagte er leise. Er verbeugte sich und verließ die Kammer.
Yargir atmete tief aus. »Meine Güte, Daoramu. Reden alle Fürstentöchter so mit den Herzögen?«
»Nein, Yargir. Das war das Gespräch einer enttäuschten Schülerin, die die Grenzen ihres Meisters erkannt hat.«
Yargir wies zur Tür. »Wird er uns in Ruhe lassen?«
»Ich weiß es nicht. Deshalb müssen wir Schutzwälle um uns errichten. Wir müssen Leute um uns scharen, denen wir vertrauen können.«
»Wie Jasgur.«
Daoramu nickte. »Du und Nylma auch. Ich werde meinem Vater vorschlagen, euch zu den Schwertfürsten der Palastwache und der Leibgarde zu machen.«
Yargir starrte sie mit aufgerissenen Augen an.
»Du schaust, als hätte ich dir gesagt, dass das Kind kommt.«
Der Kundschafter
Nuramon verbrachte anstrengende Tage auf den Albenpfaden. Borugar hatte ihm Jasgur mit einigen seiner Krieger und eine Botin namens Yurna an die Seite gestellt. Mit ihrem schwarzen von Silberfäden durchwobenen Haar, das ihr in zwei festen Zöpfen bis unter die Ellenbogen reichte, war Yurna eine beeindruckende Erscheinung. Ihre Kleidung war stets meerfarben, ganz gleich, ob es sich um ihre leichte Stoffrüstung oder um die weiten Seidengewänder handelte, die sie bei Hof zu tragen pflegte. Da Jasgur ihm angekündigt hatte, Yurna sei nicht mehr die Jüngste, war Nuramon erstaunt gewesen, einer Frau Ende dreißig gegenüberzustehen. Das Maß der Menschen verwunderte ihn immer wieder. Ein Krieger galt ab dreißig als alt, eine Botin Ende dreißig als nicht mehr die Jüngste, und bei einem Adligen konnte alt offenbar alles bedeuten – von Borugars vierundvierzig bis zu Yangors fast siebzig Jahren und jenseits davon.
Yurna war eine hervorragende Kartografin. Wenn Nuramon auf den Lichtinseln der Albenpfade mit seinen magischen Sinnen durch den Albenstern in die Welt hinausschaute, genügte ihr meist eine Beschreibung, um den entsprechenden Ort zu erkennen und aufzuzeichnen. Wusste sie einmal nicht, von welcher Gegend Nuramon sprach, vergewisserte er sich, dass draußen keine Menschen in der Nähe waren, und öffnete ein Tor. Dann schritten sie in die Welt hinaus, und nach einem kurzen Blick über die Landschaft wusste Yurna, wo sie sich befanden. Zielsicher erweiterte sie die Karte der Albenpfade und versetzte ihre Gefährten mit ihrer Ortskenntnis immer wieder in Erstaunen.
Bei ihren Erkundigungen der Albensterne am Osthang der Lysdorynen drangen sie zusehends in besetztes Gebiet vor und spähten bei ihren Streifzügen die Feinde aus. Am dritten Morgen sahen sie eine varmulische Streitmacht gen Westen ziehen und konnten so ihre eigenen Krieger auf den Pässen warnen, ehe die Feinde auch nur in ihre Nähe kamen.
Nuramons Abende gehörten der Familie. Auf Daoramus Fragen nach seinem Tag und der Entwicklung des Krieges antwortete er an den ersten beiden Abenden nur widerwillig, um die Zeit mit Daoramu nicht mit düsteren Gedanken zu belasten. Die Ungewissheit jedoch ließ Daoramus Sorgen wachsen. So teilte er ab dem dritten Abend alles mit ihr und fragte nach ihrer Einschätzung und ihrem Rat.
Sie selbst wiederum berichtete ihm von ihren Bemühungen, Vertrauen unter den Jasborern zu säen und Leute zu finden, die sie an sich binden wollte. Es mussten Posten besetzt werden, und ihr Vater verließ sich dabei auf ihre Einschätzung. Borugar war so sehr mit dem Krieg beschäftigt, dass er sich am Ende gewiss wundern würde, wenn der Palast voller Dienstboten, Wachen und Hofbeamten war.
Mit dem Vorrücken der Varmulier wurden die Tage anstrengender. Nuramon erkundete nicht länger nur die Albensterne, sondern führte die ersten Kriegsscharen über die Pfade auf den Westhang der Lysdorynen. Das letzte Stück zu den Passfestungen mussten die Krieger marschieren. Wann immer die Varmulier auf der anderen Seite ihre Streitmacht verlagerten, zogen die yannadrischen Kämpfer von den Festungen zurück zu den Albensternen und warteten dort, dass Nuramon ihnen eine Pforte öffnete und
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