Nybbas Nächte
ihre Waffen gesenkt, die meisten schienen sich zu entspannen. Joana hatte mehr erreicht, als sie zu hoffen bereit gewesen war.
Dann ließ Nicholas die Pistole fallen, befreite sich aus Joanas Umarmung und trat mit seitlich ausgestreckten Armen auf Demjan zu.
Was er ihm sagte, konnte sie nicht verstehen, doch dann ließ Nicholas seinen Blick über die Halbdämonen schweifen und sagte mit fester Stimme: „Durch meinen Fehler wurde heute Blut vergossen. Ich stelle mich den Konsequenzen.“
Er warf Elias einen Blick zu und dieser trat mit erhobener Waffe neben Joana. Zuerst begriff sie nichts, doch dann durchfuhr sie die Erkenntnis mit dem kalten Prickeln, dass sie immer in der Nähe eines Schattendämons verspürte. Nicholas wollte seine dämonische Gestalt annehmen. Joana schluckte einen schockiertenSchrei hinunter und hielt stattdessen den Atem an. Nicholas wäre Demjan auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Der Preis war zu hoch, selbst wenn er für so etwas wie Frieden gezahlt wurde. Nun verstand sie, was Nicholas’ letzter Blick Elias gesagt hatte.
Schütze Joana. Wenn nötig gegen mich selbst.
Demjan hob beide Hände, als wollte er sie Nicholas auf die Schultern legen, was er dann doch unterließ. „Ich bin ein Schutzdämon“, sagte er ruhig. „Beschworen nur zu einem Zweck. Wie sollte ich verurteilen, dass auch du schützt, was dir das Teuerste ist, mein Freund?“ Zum ersten Mal klang die Anrede ehrlich. „Alles, was ich von dir verlange, ist eine gemeinsame Jagd auf den Dämon, der uns gegeneinander ausspielte und für die Verluste in meinem Rudel verantwortlich ist.“
„Nein!“ Ein plötzlicher Schrei gellte durch den Raum. Tomte schien fassungslos vor Verzweiflung. „Ihr seid wohl verrückt geworden, euch hier zu verbrüdern. Das geht nicht! Diese Diktatur über das Rudel muss doch ein Ende haben!“
Es ging so schnell, dass Joana nicht einmal ein Warnschrei gelang. Tomte riss die Waffe hoch, als wollte er auf Demjan schießen. Elias ließ seinen Menschenkörper fallen. In Gestalt des Racheengels warf er sich Tomte entgegen, um ihm die Waffe abzunehmen. Im gleichen Moment jedoch schmiss Tomte die Pistole mit einem frustrierten Schrei auf den Boden. Auf der anderen Seite stieß Nicholas Demjan und das neben ihm stehende Püppchen zu Boden. Püppchens Waffe spie Rauch aus. Echos schossen hin und her.
Tomtes Waffe schlitterte über den Boden. Er wirbelte herum und schlug die Stirn an eine Wand, drang mit Fäusten auf das Gemäuer ein und ließ seine verlorene Hoffnung auf einen neuen Rudelführer am Stein aus. Nicholas und Demjan kamen auf die Beine und zogen Püppchen, deren Augen weit aufgerissen waren, in die Aufrechte.
Nur einer stand nicht auf. „Elias?“ Joana gelang nur ein Hauchen.
Wie in Zeitlupe drehte Nicholas den Kopf. Jemand rief etwas. Aber Joana hörte nur noch ihren eigenen Herzschlag. Erneut drohte ihre Welt dunkel zu werden und zum ersten Mal wünschte sie sich fast die Gnade einer Ohnmacht herbei. Stattdessen sah sie zu, wie Nicholas langsam an den am Boden liegenden Ilyan heran trat. Dieser lag auf einem grotesk verdrehten Flügel auf dem Rücken, den anderen zur Seite ausgestreckt. War da eine Bewegung? Joana blinzelte angestrengt. Sie wollte zu ihm, aber ihre Beine waren wie aus Eis.
Elias’ menschlicher Körper lag leer am Boden. Doch der Ilyan bewegte sich tatsächlich. Da war ein schwaches Zucken seiner Hände.
„Sie hat ihn getroffen“, hörte Joana jemanden sagen, vielleicht war sie es selbst. Es musste ein Querschläger aus Püppchens Waffe gewesen sein. Aber das war doch nicht möglich! Sie verstand nicht, wie eine einzige Kugel ihn niederstrecken konnte. Er war unsterblich!
Nicholas kniete bei dem Ilyan nieder, hob dessen Kopf behutsam in seinen Schoß. Und dann sah sie das Blut, welches aus der Augenhöhle der glänzenden Maske quoll, dem einzigen wunden Punkt, den der Racheengel hatte. Sie hörte ein Krächzen aus seiner Kehle. Verzweifelter Versuch, etwas zu sagen, oder nur Atemreflexe? Nicholas senkte den Kopf und lehnte seine Stirn mit geschlossenen Augen an die seines Freundes. Seine Haare wurden zu einem Schleier, der die beiden vom Rest der Welt abgrenzte.
„Ist gut“, murmelte er kaum verständlich und das Krächzen verstummte. Nicholas’ Stimme zitterte auf eine Art, die Joana nie an ihm erlebt hatte. „Ganz ruhig, Eli. Alles ist gut.“
Joana registrierte Bewegungen aufseiten der Füchse, sie sah Tomte konsterniert auf die am Boden liegende
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