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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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ohnmächtig wurde, verstand er nicht. Es war nicht typisch für Clerica, und doch war ihm diese Schwäche nicht gänzlich unvertraut. Es gelang ihm nicht, sich rasch genug wieder zu materialisieren, um sie aufzufangen. Sie fiel zu Boden wie eine weggeworfene Hülle, aber es blieb keine Zeit, sich um sie zu kümmern. Demjan Choskeih hatte seinen menschlichen Körper bereits verlassen und alle Füchse fortgeschickt. Als Koshchei wartete er in Gestalt einer fünf Meter langen, von Stacheln bedeckten Schlange auf ihn. Sie mussten die Speculara finden, um Joana aus ihrem Bann zu befreien. Gemeinsam würden sie jagen. Sie hatten sich zu lange aufhalten lassen.
    Fessel Joana!
, wies der Nybbas Tomte mental an, dann wurde er erneut zu Schatten und jagte an der Seite des Koshchei der fliehenden Dämonin nach.

    Tomte konnte nicht glauben, dass er recht verstanden hatte. Er sollte Joana fesseln? Aus den Gängen drangen Klagelaute, die ihn ablenkten. Überall winselten Füchse oder weinten Menschen um die getöteten Freunde.
    Er selbst hockte im Salon und kämpfte gegen den Drang, sich die Ohren zuzuhalten. Sein Blick ruhte auf den antiken Möbeln der Sitzecke, in der Demjan es sich gerne gemütlich machte. Selbst eine Karaffe Wein und mehrere Kristallgläser standen bereit.
    Tomtes Welt, die sich darum gedreht hatte, sein Volk aus Demjans eiserner Faust zu befreien, stand still. Alles war aus den Fugen geraten und hing nun schief. Als Nicholas und Demjan ineinander Verbündete gegen die Speculara fanden, hatte Tomte alle Hoffnung verloren.
    Er würde das Erbe seines Vaters nicht zurückerlangen; niemals seinen rechtmäßigen Platz im Rudel einnehmen. Demjan würde weiterhin Wein trinken und die Füchse befehligen. Alle Regeln, die aus Tomtes Leben eine unwürdige Existenz machten, würden weiterhin bestehen. Hella blieb unerreichbar.
    Er hatte versagt.
    Sein Leben lang hatte er gestohlen, was er haben wollte, doch nun, als er sich zum ersten Mal etwas aus tiefstem Herzen ersehnte, blieb es ihm verwehrt. Wie ungerecht das war!
    Ein Scharren von Metall auf Stein ließ ihn innehalten. Er drehte sich um und bemerkte, wie Joana nach der Waffe tastete. Der Gedanke, sie würde sich im Bann der Speculara auf den menschlichen Körper von Demjan stürzen, gefiel ihm. Vielleicht würde sie auch ihn angreifen. In dem Fall sollte es wohl so sein. In einem plötzlichen Anfall von Fatalismus wandte er sich ab und drehte ihr den Rücken zu. Seine Gedanken waren bei Hella. Womöglich, nein, ganz bestimmt war sie ohne ihn besser dran. Sie würde jemanden heiraten, der ihr geben konnte, was sie brauchte. Glücklich werden. Kinder bekommen, mit denen sie durch die isländischen Nächte streifen konnte, um sie zu unterrichten.
    Er betrachtete eine gerahmte Fotografie an der Wand, die bunte Nordlichter in tiefster Nacht zeigte. Vielleicht war draußen inzwischen eine ebensolche Nacht. Dort, wo das Bild schwarz war, spiegelten sich nun schemenhaft Joanas Umrisse. Tomte sah die Waffe, wie der Lauf ein Ziel anvisierte.
    Jäh entriss das Bild ihm all sein Selbstmitleid. Er wirbelte herum, warf sich mit einem Hechtsprung auf die Frau, die ihm eine Freundin gewesen war, und verhinderte in letzter Sekunde, dass sie sich in den Kopf schoss.
    Fessle sie!, echote Nicholas’ Stimme durch seinen Kopf, während Joana schrie und um sich schlug.
    Verdammt, er war ein solcher Idiot! Warum konnte er nicht ein einziges Mal eine Anweisung befolgen, ohne sie infrage zu stellen? Joana wehrte sich nach Leibeskräften und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien. Immer noch stand sie unter fremdem Befehl. Tomte konnte ihr die Waffe abnehmen, fing sich jedoch mehrere Faustschläge ein, bis es ihm gelang, der tobenden Frau die Arme auf den Rücken zu drehen. Sein Kiefer pochte ihm bis in die Ohren. Heiliger Strohsack, wie konnte eine weiche Menschenfrau so hart zuschlagen? Aus vollem Hals brüllte er um Hilfe. Zwei seiner Artgenossen eilten herbei, hielten Joana fest, während er Kabelbinder aus der Tasche zog und ihr die Hände auf dem Rücken fixierte.
    Erschöpft sackte er neben ihr nieder. Er fürchtete sich vor dem Moment, an dem sie wieder klar denken konnte und nach einer Erklärung verlangen würde. Als sie schließlich ohnmächtig zusammenbrach, entschied er, dass es dazu nicht kommen sollte, und verschwand.

    Der Nybbas und der Koshchei fanden Rut in ihrem Versteck. Tot. Die Speculara hatte sie achtlos zwischen verkrüppelten Dornengewächsen liegen

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