Nybbas Nächte
sexy.
„Wusstest du“, fragte sie schmeichelnd, „dass es bis auf die Dämonenfreundin Rut Jensdóttir keine Clerica auf Island gibt?“
„Das klingt verlockend.“ Den Menschenkörper wieder einmal fallen lassen zu können und unbehelligt den Schatten von der geliebten Freiheit kosten zu lassen, ohne dafür sofort gejagt zu werden, klang sogar schmerzhaft verlockend. „Trotzdem geht das nicht. Nicht jetzt, Jo. Diese Droge in der Blutlaufbahn der Inanen war ein Hinweis. Eine Fährte, der ich nachgehen muss.“
„Ich glaube, dass es eine Falle ist“, verbesserte Joana.
„Auch möglich, das tut aber nichts zur Sache.“
„Dann willst du also mit offenen Augen in diese Falle stiefeln, während ich mich hilflos einer Frau ausliefere, die mit einer Dämonin in einem Haus wohnt?“
Touché. Die Dämonin war ein verdammt gutes Argument. Dämonen war nicht zu trauen. Nie.
„Meine Mutter sagte, es handle sich um eine Bluttrinkerin.“ Joana strich sich beiläufig über den Hals.
„Wenn du mich loswerden willst, dann sag es mir doch, ehe du mich einem Dämon frei Haus lieferst, als wäre ich eine Pizza.“
Bluttrinkerin? Scheiße.
Seit Lillian, die Nabeshima, die ihm wie eine Freundin gewesen war, ihn damals verraten hatte, reichte schon der Gedanke an einen dieser Wadenbeißer, um sein Blut vor Wut und der nagenden Erinnerung an Schmerz brodeln zu lassen. Joana wusste das und spielte ihren Trumpf ungerührt aus. Grässlich, wie leicht sie ihn durchschaute.
„Okay.“ Er unterdrückte ein Seufzen. „Du lernst diese Banngeschichte und ich mache ein paar Tage Urlaub in Island und passe auf deine Arterien auf.“
Sie wirkte zufrieden. „Abgemacht. Und danach fliegen wir nach England. Gemeinsam. Sobald ich die Bannzauber erst vernünftig einsetzen kann, bin ich dir auch eine Hilfe und keine Last. Wer auch immer dortauf dich wartet, wenn ich erst eine Clerica bin, dann machen wir sie gemeinsam fertig!“
Es würde in die Hölle schneien, ehe er mit ihr zusammen feindliche Dämonen jagte. Aber nach weiteren Diskussionen stand ihm nicht der Sinn, so zog er den Mund breit und zuckte mit den Schultern. „Dann buche meinetwegen unsere Flüge. Sobald du meinen Pass wieder rausrückst, können wir los.“
„Thema Pass …“
Er schnitt ihr das Wort ab. „Hast du ihn vernichtet? Dann ist es deine Schuld, wenn’s länger dauert.“
„Das meine ich nicht. Ich frage mich nur, was hinter dem Namen steckt. Ânjâm. Was heißt das?“
„Du heißt so, Joana.“ Genüsslich registrierte er ihre aufschäumende Neugier. Sie war immer neugierig auf ihn gewesen. Vielleicht hatte er sich auch ein wenig in ihre Neugierde verliebt; damals, als er noch nicht ge-wusst hatte, dass diese Frau ihm mehr bedeuten sollte, als er es sich je hätte träumen lassen. „Dass ich auch so heiße, war reine Bequemlichkeit. Mir fiel auf Anhieb kein zweiter Name ein. Irgendwann verrate ich dir, was er bedeutet. Aber noch nicht.“
„Ich könnte es googeln.“
„Könntest du. Aber du wirst es nicht tun, weil ich es spüren würde.“ Er griff sich theatralisch an die Brust und sah ihr flehend in die Augen. „Es würde mir das Herz brechen, dich nicht am perfekten Tag damit zu überraschen.“
„Per…fekter Tag?“ Röte schoss ihr ins Gesicht, so heftig, dass Hitze von ihrer Haut abstrahlte, so, wie er es erwartet hatte. „Hat das irgendetwas mit den dämonischen Ritualen zu tun, von denen Elias sprach?“
Oh, sein Lieblingsmensch war so herrlich leicht aus der Fassung zu bringen.
„Vielleicht“, meinte er und reichte ihr das Handy, bevor sie weitere Fragen stellen konnte. „Warne Island vor, Jo. Wir kommen. Es soll dort übrigens recht frisch sein, du weißt, was das bedeutet.“
„Oh nein. Alles, aber das nicht!“
„Oh doch.“ Er setzte seine sardonischste Miene auf. „Wir gehen shoppen.“
7
E
lias war frustriert. Der Sprühregen nervte. Die schwarz glänzenden Pfützen auf dem Kopfsteinpflaster, in denen die Farben der Neonreklameschilder schwammen, noch mehr. Seit er in London angekommen war, regnete es ununterbrochen. Die kalte Nässe bereitete ihm Kopfschmerzen. Im Grunde störte ihn alles, seitdem er der kleinen Annie begegnet war. Nicholas’ Misstrauen und schroffe Abweisung bei ihrem letzten Zusammentreffen hatten das nicht besser gemacht. Als Spürhund war er ihm dagegen gut genug. Vielen Dank auch, sehr gnädig. Er hasste Nicholas dafür. Noch mehr hasste er sich selbst, da er Nicks Job im gleichen
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