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Nybbas Nächte

Nybbas Nächte

Titel: Nybbas Nächte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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hänge.“
    „Erzähl mir die Geschichte.“ Er wickelte sich eine ihrer Locken um zwei Finger, zog ihr Gesicht sacht an seines und küsste eine übrig gebliebene Träne von ihrer Haut. Ja, eindeutig süße Freudentränen.
    „Die Geschichte von Black Beauty?“
    „Dummer Mensch.“ Neckend zupfte er an ihrer Haarsträhne. „Die Geschichte dieses Buches.“
    Sie lächelte, ein Moment reiner Glückseligkeit. „Es gehörte meinem Vater.“
    Nicholas spürte in aller Deutlichkeit, wie sein Herz einen Schlag ausließ und dann in doppelter Geschwindigkeitlosraste. Er zog seine Hand zurück, sodass ihr das Haar ins Gesicht fiel. Innerhalb eines Augenblickes bildete sich Schweiß auf seiner Oberlippe. Dreck noch mal, warum hatte er gefragt?
    Joana blätterte liebevoll in ihrem Buch. Das war sein großes Glück, denn ansonsten hätte sie ihn vermutlich erbleichen sehen. Ausgerechnet ein Erbstück ihres Vaters! Nicholas trug die Schuld an dessen Tod, und im Sterben schwor ihm der Clerica damals, dass er erst Ruhe finden würde, wenn sein Tod gerächt war. Von frühster Kindheit an quälten Albträume Joana und Nicholas konnte sich nur einen Grund vorstellen. Der Geist ihres Vaters verlangte, dass sie ihr Erbe antrat und auf Dämonenjagd ging.
    Wenn das Schicksal Gestalt annehmen konnte, dann sollte es seine Brötchen als Comedian verdienen.
    „Mein Vater war ein Pferdenarr“, erzählte Joana mit vor Bewunderung sanfter Stimme. „Mama sagte immer, dass er ein guter Reiter war, und als Kind glaubte ich, es ihm nachmachen zu müssen, damit er“, sie stockte und ein Hauch von Röte flog über ihre Wangen, „na ja, damit er im Himmel stolz auf mich wäre. Ich bettelte eine Ewigkeit, bis meine Mutter mich in der Reitschule anmeldete, obwohl wir uns das eigentlich nicht leisten konnten. Und als es so weit war, klappte überhaupt nichts.“
    Er lächelte bemüht, durfte sie seine Unruhe nicht spüren lassen. „Du hast sein Talent nicht geerbt?“
    „Schlimmer. Ich hatte panische Angst vor den Pferden und hab die ganze Stunde gegen das Heulen ankämpfen müssen. Hinterher war ich völlig enttäuscht. Da schenkte meine Mutter mir dieses Buch aus seinem Nachlass. Sie meinte, ich könnte Pferde ja auch in meiner Fantasie lieben. Dann hätte ich meine Gemeinsamkeit mit meinem Vater und müsste ihnen dennoch nicht zu nahe kommen.“
    „Wie praktisch.“ Nicholas verbiss sich einen allzu sarkastischen Unterton. „Warum liest du keine Horror- Romane?“
    Sie sah zu ihm auf, forschte lange in seinem Gesicht. „Es muss schwer für dich sein, wenn ich von meinen Eltern erzähle, habe ich recht?“
    Irritiert schüttelte er den Kopf, antwortete zu schnell. „Warum sollte es?“ Was ahnte sie?
    „Weil du keine Eltern hast.“
    Er winkte ab. „Man vermisst nicht, was man nie kennengelernt hat.“
    „Das stimmt nicht.“ Sie ließ sich, ihr Buch an die Brust gedrückt, auf den Rücken sinken und legte ihren Kopf in seinen Schoß. „Ich habe meinen Vater vielleicht nie kennengelernt“, sagte sie, und er wusste, dass sie nun ebendies aussprechen würde, was er als Letztes hören wollte. „Aber ich vermisse ihn schrecklich.“
    Dies war er, der Moment. Nicholas spürte es mit der Intensität, als raste ein ICE auf ihn zu. Es war der Augenblick, in dem er die Wahrheit sagen musste. Der Augenblick, auf den er gewartet hatte, seit er es wusste. Und er ließ ihn vorübergehen. Mehr noch, er verschloss die Erinnerung in sich, um sie dort vergammeln und verrotten zu lassen. Es war keine Lüge, redete er sich ein. Die Sache war lange her, er hatte nach dem Vorfall unbestimmte Zeit unter Felsen begraben gelegen. Er hätte es vergessen können. Wie er auch die Zeit unter Lorennas Leibdienerschaft vergessen hatte. Die Jahre im Bann.
    Vergessen.
    Vergessen wäre eine tolle Sache, wenn es funktionieren würde.
    Joana streichelte über seine Brust und murmelte ihm müde und zufrieden etwas zu: „Du bist nicht immer ganz leicht im Handling, Nicholas. Aber irgendwie glaube ich, dass du doch ein gutes Herz hast.“
    Wenn Joana eines perfektioniert hatte, dann, im richtigen Moment das Falsche zu sagen. Er genoss den bitteren Schmerz, den ihre Worte rissen. Den hatte er verdient. Er half darüber hinweg, dass sie litt.
    „Ganz sicher sogar“, gab er zurück. „Es schlägt kräftig, regelmäßig und nach einem Systemabsturz fährt es immer brav wieder hoch. Es macht einen klasse Job. Das meinst du doch mit ‚gut‘, oder?“
    Vor allem aber,

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