Nybbas Nächte
Demjan vernichten und ihm, Tomte Raik Svalanson, den Weg an die Spitze seines Rudels ebnen. Die damit einhergehende Macht hätte ihn nicht interessiert. Die Verantwortung noch weniger. Aber es war die einzige Möglichkeit, Hellas Vater dazu zu bewegen, eine Verbindung zu erlauben. Dafür wäre Tomte auch Kaiser von China geworden, wenn es nötig wäre.
Er hielt Hellas Hand. Seine eigene schwitzte, während er in den Korridoren vor der Küche darauf wartete, dass der Koch und seine Helfer ihre Posten verließen, um Pause zu machen. Erst nachdem die Küche ein paar Minuten in absoluter Stille gelegen hatte, zog er den Dietrich aus der Gürteltasche und hebelte gekonnt das Schloss auf.
Hellas Augen wurden kugelrund. „Das tust du nicht zum ersten Mal.“
Nein. Er legte zwei Finger an ihre Lippen. Aber zum letzten Mal, wenn alles glattging. Er wies sie mit einer Geste an, die Tür zu bewachen, während er auf eine chromglänzende Arbeitsfläche sprang, sich streckte, um den Belüftungsschacht zu erreichen und die fettverschmierte gitterartige Blende mithilfe eines Schraubendrehers entfernte. Dann winkte er Hella zu sich, verschränkte die Finger, sodass sie mit dem Fuß in seine Handflächen steigen und in den Schacht klettern konnte. Er folgte ihr. Im engen Tunnel angekommen zwängte er sich an ihr vorbei, um voranzukriechen. Er küsste sie innig, als er seinen Körper dicht an ihrem entlangrieb. Sie kicherte. Für Hella war die Sache ein Abenteuer. Sein Gewissen kitzelte ihn auf unangenehme Weise und flüsterte, dass er sie in Gefahr brachte. Er hatte ihr gegenüber behauptet, sie würden Informationen stehlen, die ihm einen hohen Rudelrang sicherten. In Wahrheit war alles sehr viel komplizierter. Tomte begriff selbst nicht vollends, was Nicholas plante, daher hatte er beschlossen, Hella eine simple Geschichte zu erzählen und alles andere zu unterschlagen.
Mit einem Seufzer verdrängte er seine Zweifel, entfernte einen Ventilator, der für die richtige Windströmung sorgte, aber seinen Weg blockierte, und kletterte weiter. Er musste eine Weile suchen und fürchtete schon, den richtigen Ausstieg nicht zu finden, als er hinter den Lamellen einer weiteren Schachtblende endlich Demjans privates Büro erkannte. Mit einem Messer entfernte er eine Lamelle, bog sie weg und konnte so eine Hand hindurchzwängen, um auch diese Blende abzuschrauben. Zwei Minuten, und die Luke war offen.
Hella strahlte, als er ihr aus dem Schacht half. Nun lag alles an ihr. Zur Aufmunterung küsste er ihre Nase, bemühte sich, ihren Ausdruck der Begeisterung zu erwidern und nahm seinen Posten an der Tür ein. Hella fuhr den Computer hoch und steckte einen USB-Stick in die Schnittstelle. Ihre Lippen bewegten sich lautlos, während ihre behandschuhten Finger über die Tastatur tanzten. Tomte wusste nur theoretisch, was seine Geliebte tat. Sie installierte ein Programm, welches die Passwortkontrollen umging und nach den entsprechenden Informationen suchte: Der Datei über alle Dämonen, die Demjan ein Begriff waren. Diese speicherte Hella auf ihren Stick, was viel länger dauerte, als Tomte angenommen hatte. Er begriff nicht, wie all das funktionierte. Wieder einmal wurde ihm schmerzlich bewusst, wie wenig er von moderner Technik verstand.
Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis sie endlich einen Daumen hob, den USB-Stick in ihre Tasche steckte und den Computer wieder ausschaltete. Rasch half er ihr zurück in den Belüftungsschacht und kletterte selbst hinein. Er zog das Gitter heran und wollte gerade seine Hand unter der einseitig vom Rahmen gelösten Lamelle hindurchschieben, um es wieder festzuschrauben, als er hörte, wie der Schlüssel ins Türschloss gestoßen wurde.
Ein kurzer Blick in Hellas Augen offenbarte ihre Panik. Ein Blick zwischen den Lamellen hindurch ließ ihn wissen, dass Demjan sein Büro betrat und dabei aufgebracht in sein Telefon sprach. Tomte verharrte und wies Hella an, es ihm gleichzutun. Sie presste sich eine Handfläche vor den Mund, trotzdem fürchtete er, ihr aufgeregter Atem wäre bis ins Büro zu hören. Er konnte nur hoffen, dass seine zitternde Hand, die die Schachtverkleidung hielt, nicht zu sehen war.
„Wenn ich wüsste, wer ihn schickt, hätte ich eine Sorge weniger“, blaffte Demjan. „Es muss jemand sein,der Interesse an meinen Firmenzweigen hat, anders kann ich mir das nicht erklären.“ Eine Pause entstand, ehe er erneut die Stimme hob. „Mach dich nicht lächerlich. Wer sollte Interesse an
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