Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
kann ihn in seinen Körper zurückbringen. Aber das erfordert Kraft und dann haben wir beide keine Reserven mehr, um erneut aus den Körpern zu fahren. Der Dämon muss sich im Menschenleib erst erholen. Wenn die Clerica kommen, müssen wir unsere Rollen überzeugend spielen. Sonst … schlaf gut. Du verstehst?“
Der Racheengel wartete keine Antwort ab. Ein tiefer Atemzug und er wurde durchsichtig. Konturlos schmiegte er um Nicholas herum, lief wie Wasser über ihn hinweg und durch ihn hindurch. Der dunkle Leib wurde ebenfalls durchscheinend und zerfloss zu Schatten, der sich mit dem anderen vereinigte. Joana machte einen Schritt zurück und wagte kaum zu atmen. Eine schwache, undefinierte Nebelschwade kroch dicht über dem Boden auf die leeren Körper zu. Langsam und träge waren die Bewegungen, ohne jede Kraft.
Elias keuchte als erstes, riss den Kopf hoch und rang um Atem. Dann ging ein Zittern durch Nicholas’ Körper. Auch er sog pfeifend Luft ein, hustete, würgte und stöhnte schmerzerfüllt auf.
Elias sprang auf die Füße. Für einen Moment starrte er Nicholas einfach nur an. Joana huschte schnell an dessen Seite, umfasste seinen Körper und half ihm, aufrecht zu stehen, damit sein Gewicht nicht länger an seinen verletzten Armen zerrte.
„Geht es irgendwie?“
Nicholas krächzte einen unflätigen Fluch. Dann versank sein Blick in Elias goldbraunen Augen. „Warum hast du das getan?“, stieß er heiser hervor.
„Es verbessert unsere Chancen, vertrau mir. Vertrau mir einfach.“ Elias lächelte. „Ich würde dich immer retten.“
Joana verstand nichts und fühlte sich überflüssig. Nicholas schob den Kopf vor soweit er konnte und küsste Elias auf den Mund. Nicht brüderlich, nicht freundschaftlich, sondern innig, mit geschlossenen Augen. Elias blieb für einen Moment steif stehen, dann erwiderte er den Kuss für einen kurzen Moment zaghaft. Joana drohten, die Augen aus dem Kopf zu springen. Einen Wimpernschlag später wandte Elias sich räuspernd ab und warf ihr einen verschämten Blick zu.
„Der Schlüssel!“, rief er und lief rasch zu Meyers’ leerem Körper, der neben der Tür lag. Er hockte neben ihm nieder und durchwühlte gerade die Taschen, da erklang ein krächzendes Knurren.
„Der Bann wirkt schon nicht mehr?“, wisperte Nicholas schockiert.
Elias blickte auf, dem erwachenden Whiro direkt ins Gesicht. Joana sah, dass er den kleinen Schlüssel für die Handschnellen zwischen den Fingern hielt, doch der feindliche Dämon stand zwischen ihnen und versperrte ihm den Rückweg. Himmel, sie hatte geglaubt, es würde länger anhalten. Die Fratze des Whiros drehte sich langsam zu ihr und Nicholas herum. Grinste hässlich. Sein Ziel stand fest.
Elias aber drückte ein Knie auf die Schultern des leeren Körpers, packte ihn am Kinn und riss den leblosen Kopf hoch.
„Hey, Whiro!“, rief er lässig, worauf der sich umsah. „Brauchst du den nicht mehr?“ Mit einer ruckenden Bewegung brach er das Genick.
Der Whiro, in diesem Moment seines schützenden Körpers beraubt, warf sich herum.
„Dafür wirst du sterben!“, fauchte er und stürzte auf den Jungen zu.
„Elias“, flüsterte Joana. Das Blut in ihren Adern gefror.
Nicholas brüllte: „Lauf!“
Der Feigling stürzte zur Tür, zerrte daran und quetschte sich durch einen schmalen Spalt. Er floh. Der Whiro riss die Tür mit einem Ruck auf, sodass sie gegen die Wand schlug. Dann nahm er die Verfolgung auf. Er jagte in der Fahne aus Angst, die hinter dem Flüchtenden her wehte. Elias stürmte den Gang entlang, der Whiro preschte hinter ihm her. Sein nackter Menschenfuß rutschte über den blankgewienerten Boden, die Krallen seiner zweiten Seite kratzten Furchen in den Stein. Er sah nichts als den Feigling vor sich. Und seine giftige Klaue, die sich nach ihm ausstreckte. Wie hatte der Köter es wagen können, seinen Körper zu entweihen? Sein Eigentum zu zerstören? Sein Blut pumpte den Zorn in Druckwellen durch seinen Leib, immer und immer wieder. Er würde ihn zerfetzen, sein Fleisch zerreißen und verschlingen. Unddanach würde er seinen Schatten jagen, wenn der Ilyan diesen überhaupt noch aus der menschlichen Hülle bekäme.
Elias rannte um sein Leben. Der Whiro witterte seinen Schweiß, er stachelte ihn zusätzlich an. Er lief schneller, es trennten ihn nur noch wenige Meter von seiner Beute, die soeben eine Tür aufstieß und gleich nach sich wieder zuschlug. Der Whiro trat sie einfach aus den Angeln. Sie flog, verfehlte den
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