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Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume

Titel: Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Benkau
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ihrer Kanarienvögel durchs Fenster hinaus flog, eine Schleife zog und verschwand.
    „Oh, verfluchtes Dämonenpack!“, stieß sie hervor. Eine Träne bahnte sich den Weg über ihre Wange. Ferdi war ihr Lieblingsvogel, sie hatte ihn schon seit zehn Jahren. Sie schloss das Türchen und starrte den verbliebenen Max einen Moment entmutigt an. Ahnungslose Knopfaugen blickten auf sie zurück und schienen zu fragen, wo der langjährige Gefährte sei.
    Agnes seufzte schwer, ließ sich in ihren Ohrensessel fallen und griff nach ihrem Notebook. Sie legte es auf den Oberschenkeln ab und startete das EMailprogramm. Erste Priorität hatte nun die Meldung. Vermutlich würde eine Telefonkonferenz folgen, falls noch anderen Clerica die Präsenz aufgefallen war.

    In Schattengestalt jagte er los, die Schranktür mit einem Windstoß zuschlagend, um seinen Körper sicher versteckt zu wissen. Pfeilschnell schoss er gen Himmel. Nur schnell an Höhe gewinnen, um Abstand zwischen sich und die Clerica zu bringen.
    Das Wetter war gegen ihn. Keine Wolke bot ihm ein Versteck und vor dem Azur des Nachmittags zeichnete sich seine düstere Erscheinung sogar für normale Menschen sichtbar ab. Angst machte ihm das nicht. Er musste nur schneller sein, unsichtbar für ihre Augen werden. Der Wind riss Fetzen von seiner Gestalt, die einen Schatten des Dämons darstellte, und gab ihm seine Umrisse mit der nächsten Böe zurück. Es störte ihn nicht, er genoss es. Wurde eins mit dem Wind. Ließ sich von ihm zerstören und wieder heilen. Zerreißen und neu schmieden. Den Elementen ausgeliefert fühlte er sich stark und schwach zugleich. So war es richtig. Er war entfesseltes Chaos und verhöhnte alle Grenzen.
    Bald hatte er eine ausreichende Höhe. Er konnte nur hoffen, dass keinem Clerica seine Anwesenheit aufgefallen war.
    Er warf sich gegen den Wind und flog Richtung Südwesten. Der Catácon war eitel und traditionsbewusst. Es gab nur einen Ort, der für die Folter und Hinrichtung eines anderen Dämons für ihn in Frage käme: Eine Bergkette in Peru, die die Nazca-Ebene im Nordosten begrenzte. Ganz in der Nähe seines Symbols, dem Kleinen Kondor, hatte der Catácon sich einst einen Tempel bauen lassen. Inzwischen war dieser verfallen und nur noch ein Friedhof derer, die unsterblich sein sollten. Der Eingang war unter zerklüfteten Felsen kaum mehr auszumachen, selbst wenn man wusste, dass er da war. Doch der Nybbas würde den Ort finden, das war sicher. Nicht ganz so gut standen die Aussichten, ihn auch wieder zu verlassen.

9
    E
r flog in doppelter Hinsicht gegen die Uhr und erreichte Peru durch die Zeitverschiebung kurz nach der Dämmerung. Vom mondbeleuchteten Himmel aus konnte er die kryptischen Linien und Symbole sehen, die vor so langer Zeit von Menschenhand in die oberen Gesteinsschichten eingearbeitet worden waren. Einige existierten seit mehr als zweitausend Jahren. Alle waren sie für seinesgleichen angefertigt worden. Als Huldigung, in einer Zeit, zu der die Sprachen der einfachen Völker noch keinen Unterschied zwischen Göttern, Engeln und Dämonen gemacht hatten. Als die Welt noch nicht in Licht und Schatten geteilt war. Eine Zeit, die er nicht kannte.
    Blass und silbrig schimmerten die Geoglyphen im Kontrast zu dem Rostrot, das die Wüste überzog. Schnell hatte er den Kleinen Kondor gefunden, der den Catácon symbolisierte. Es war eines der jüngeren Zeichen, aber ebenfalls über eintausendfünfhundert Jahre alt. Sein Gegner war allerdings noch älter als das Bildnis im Stein. Einer der ältesten, noch freien Dämonen. Einer der wenigen Alten, die soweit angepasst waren, dass sie den immerzu fortschreitenden Clerica hatten trotzen können. Ihm würde er nun als Feind gegenüberstehen. Wohl hätte er Furcht gefühlt, wenn er in diesem Leib dazu in der Lage gewesen wäre.
    Lautlos landete er auf dem steinigen Boden und materialisierte seinen Körper. Ließ Schatten zu Fleisch werden. Schwarzrotes Fleisch, umgeben von anthrazitfarbener Haut, die ihn an seine grobe Rindslederjacke erinnerte. So kraftvoll dieser Körper auch war, in dieser Form war er verletzlich. Sterblich. Der Tod des menschlichen Körpers brachte nur die Notwendigkeit mit sich, einen neuen zu suchen, in dem eine schwache Seele lebte, die er verdrängen konnte. In seinem Dämonenleib zu sterben, würde dagegen sein Ende bedeuten.
    Ein wenig Staub wirbelte bei seiner Verwandlung auf. Hier oben, in dem von Bergen umringten Plateau wehte ansonsten kaum Wind. Der Geruch von

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