Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
Theodor sie zurück zur Bibliothek. Er ließ sie eintreten und schloss die Tür. Im Schloss knarrte es.
Joana schoss das Blut in den Kopf. Hastig rüttelte sie an der Messingklinke. Aber sie hatte sich nicht geirrt. Er hatte sie tatsächlich eingeschlossen.
Fassungslos lehnte sie sich gegen die Tür. In ihrem Körper kämpfte der Wunsch, in hysterisches Geschrei auszubrechen, diesen ganzen verdammten Raum auseinander zu nehmen, jedes Buch zu zerfetzen und alles zu zerstören. Letztlich tat sie nichts davon, sondern zwang sich zur Ruhe. Ihr Spray lag in ihrem Zimmer, sie durfte nun nicht panisch werden und einen Asthmaanfall riskieren. Bis auf das leichte Beben ihrer Schultern blieb sie still stehen, kämpfte gegen das Heulen an und verlor schließlich doch. Ihr Körper rutschte kraftlos am Holz entlang zu Boden. Sie kauerte sich zusammen und weinte ein paar wütende Tränen.
17
C
hristinas ruhige Stimme riss Nicholas aus seinen Gedanken. „Herr Nyrr? Das Labor hat sich eben gemeldet. Die neuen Tests werden Ende dieser Woche in die erste Phase gehen. Alle Unterlagen befinden sich auf Ihrem Schreibtisch.“
Er nickte knapp. Genannte Unterlagen bezogen sich auf Tierversuche, mit denen ein neues Neuroleptikum getestet wurde. Dass das Medikament tatsächlich eine bewusstseinsverändernde Droge zu Manipulationszwecken war, und die Versuchskaninchen der Gattung Homo Sapiens angehörten, wussten nur die Wenigsten. Das war gut so, denn das Schweigen dieser Menschen war nicht billig. Oder sie hatten es, wie im Falle von Christina, selbst sehr teuer bezahlt.
„Brauchen Sie mich noch, Herr Nyrr?“, fragte Christina und strich sich die Haare zurück.
Dabei verrutschte der Ärmel ihrer Bluse und Nicholas’ Blick fiel auf ihren bis zum Handgelenk verbundenen Unterarm. Skeptisch sog er Luft ein und roch trotz seinem menschlichen Körper das getrocknete Blut.
„Was haben Sie am Arm gemacht, Christina?“
Sie wandte den Blick zu hastig ab. „Das ist nichts.“
Er presste die Lippen zusammen. Er konnte sich sehr genau vorstellen, was sich unter diesem Verband verbarg. Eine Bisswunde. Lillian war seit Langem gierig auf Christinas Körper und ihr Blut, obgleich er ihr mehrfach verboten hatte, sein Eigentum anzurühren. Sobald Lillians Ehemänner jedoch Kraft und parallel dazu an Hämoglobin verloren, wuchs die Blutrunst regelmäßig über ihre Loyalität heraus. Möglicherweise schuf er durch sein Verbot auch einen ganz besonderen Reiz für die Nabeshima. Sie konnte sanftmütig sein, doch ihre Krallen waren blitzschnell ausgefahren, sobald ihr danach war.
„Herr Nyrr? Ich muss zum Empfang. Seit Frau Kellermann ausgefallen ist …“
„Ja ja, ist schon gut, gehen Sie.“ Er scheuchte sie mit einer Handbewegung aus seinem Büro. „Aber schicken Sie mir Lillian her. Ich will sie sofort sprechen.“
Die Aussage, die Empfangsdame sei ausgefallen, amüsierte ihn. Tatsächlich konnte man Sandra Kellermann, nachdem sie das erste Opfer Matts geworden war, wohl nur noch als einen Totalausfall bezeichnen. Matt, der Paymon, war ein einstiger Wüstenkönig und nährte sich von der Körperflüssigkeit seiner Opfer. Im Rausch der ersten Mahlzeit nach so langem Bann, hatte er es schlichtweg etwas übertrieben und die brave Sekretärin vollkommen trockengelegt.
Nicholas spürte, wie sich beim Gedanken an den Paymon unwillkürlich sein Kiefer anspannte. Noch waren die uralten Erinnerungen des Befreiten nicht zurückgekehrt. Der einst so mächtige Dämon war derzeit noch mit der Aufgabe beschäftigt, sich selbst in den Tiefen seines Bewusstseins wiederzufinden. Doch er würde erstarken, er würde sich erinnern. Schon bald. Alexander war jetzt schon besessen von dem Gedanken, mit seiner Hilfe den Luzifer zu finden und zu erwecken. Die Macht, die ihm der Fürst dafür schenken würde, ließ sich mit menschlichen Worten nicht erfassen. Für Nicholas jedoch würde es Leibeigenschaft bedeuten und das Letzte, was er sein wollte, war ein Sklave.
Nie wieder!
Zornig ob seiner Grübeleien schlug er mit der Faust auf den Schreibtisch. Es war lächerlich, sich deswegen Gedanken zu machen. Er war nicht des Luzifers Ergebener, all das war nichts als ein dummer Irrtum.
Warum nur ließen die Überlegungen ihn dann nicht endlich los? Stattdessen manifestierten sie sich noch und schwollen zu Sorgen an.
Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und lehnte seine Stirn gegen die Handballen. Wenn er sich wenigsten hätte ablenken können. Aber selbst von
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