Nybbas Träume - Benkau, J: Nybbas Träume
seine Hand zurückzog, der Stoff verrutschte. Joanas Blick fiel auf die beiden kleinen Wunden unterhalb seines Schlüsselbeins.
Die Bilder kamen abrupt, schossen dicht gefolgt von einem Stoß Adrenalin durch ihren Kopf und ließen ein kurzes, gleißendes Licht vor ihren Augen aufleuchten.
Ihre Lippen an seiner Haut. Der Geschmack von seinem Blut auf ihrer Zunge. Viel intensiver und dunkler, als ihr eigenes Blut schmeckte. Und dann der Blackout.
Die Erinnerung verfinsterte graunebligen Verdacht zu schwarzer Gewissheit.
Dämonenblut.
Der Boden drohte unter ihr nachzugeben. Sie schlang ihre Arme um sich selbst und wich mit weichen Knien ein paar Schritte zurück.
Ihr Blick traf Meyers‘ Augen. Er grinste, streckte die Hand nach ihr aus und kam auf sie zu.
Irgendetwas knurrte.
Nicholas fasste Meyers an der Schulter und drehte ihn zu sich um. Doch dieser schlug ihm ohne Vorwarnung in den Magen. Joana hörte Nicholas ächzen, und sich selbst nach Luft schnappen. Meyers wandte sich erneut zu ihr um, doch Nicholas packte ihn. Er drehte seinem Gegner den Arm auf den Rücken und stieß ihn mit dem Schwung seiner eigenen Bewegung an Joana vorbei. Meyers krachte mit der Schulter voran gegen die Wand.
Ein Bild fiel zu Boden, der Rahmen zerbarst. Der Dame am Empfang klappte der Kiefer runter. Eine zweite Frau stürzte aus einem der Räume in den Flur, rief etwas, das nach einem japanischen Fluch klang und schlug sich die Hände vor den Mund.
Nicholas hielt den Konzernchef gegen die Wand gedrückt. Immer noch klang dieses Knurren im Raum, das Joana niemandem zuordnen konnte. Nicht zuordnen wollte. Statt Blut schien Eiswasser durch ihre Adern zu fließen.
„Hände weg von meinem Eigentum“, zischte Nicholas Meyers ins Ohr.
Der lachte nur. Ein leises, hässliches Geräusch, das Nicholas’ augenscheinliche Überlegenheit deutlich in Frage stellte. Nicholas schleuderte ihn in einer abrupten Bewegung zu Boden, packte Joana hart am Unterarm und zerrte sie hinter sich her zum Treppenhaus.
„Nicht umsehen“, raunte er ihr zu. Vielleicht war es nur seine ruhige, dunkle Stimme, die verhinderte, dass sie in Panik geriet. „Sieh niemanden an.“
Ohne ein weiteres Wort, den Blick starr nach vorne gerichtet, zog er sie etliche Treppen runter und schließlich durch die Eingangshalle. Sie musste neben seinen langen Schritten fast laufen, um mitzukommen. Für einen quälend langen Gedankengang fragte sie sich, warum sie überhaupt mit ihm ging. Auch wenn er sie gerade, aus welchem verqueren Grund und vor was auch immer, verteidigt hatte, blieb eine Tatsache doch unverkennbar: Er war nicht menschlich. Aber in den letzten Tagen war so viel geschehen. Sich auch noch vor ihm zu fürchten, wäre einfach zu viel verlangt gewesen.
„Was war das?“, schrie sie, kaum dass sie die gläserne Drehtür nach draußen passiert hatten. „Sag mir sofort was da los war! Warum seid ihr so ausgerastet?“
Er schwieg und hielt auf einen BMW X5 in dunklem Rot zu. In jeder anderen Situation wäre Joana niemals eingestiegen, ohne diesen Traum von einem Luxus-Geländewagen ausgiebig zu bewundern. Schlammbespritzte 335er Pirelli-Breitreifen an der Hinterachse. Die konnte sie nicht mal in Todesangst übersehen. Doch Nicholas stieß sie an der Fahrerseite eilig auf den Rücksitz.
„Was soll das?“
Er stieg ein und bretterte los. Joana rutschte hinter den Beifahrersitz, um Nicholas wenigstens ansehen zu können. Für ein paar hundert Meter fuhr er ohne eine Miene zu verziehen. Dann schüttelte er den Kopf und grinste, was sie höchst unangebracht fand.
„Findest du diese Neandertaler-Nummer etwa komisch? Du hast eben deinen Chef an die Wand geklatscht, weil er mir die Hand geben wollte. Spinnst du?“
„Du hast keine Ahnung, Joana.“ Er lachte trocken. Der Wagen schoss so schnell um die nächste Kurve, dass sie sich am Sitz festkrallen musste.
„Erklär es mir! Was ist da eben passiert?“
„Du verstehst das nicht. Alexander ist nicht das, wofür du ihn hältst. Er ist“, sein Grinsen fror ihm im Gesicht fest, „nicht ganz ungefährlich. Ich wollte nicht, dass er dir …“ Er ließ den Satz unvollendet ausklingen.
„Ach komm!“ Joana verdrehte die Augen. „Selbst wenn du recht hast, würde er mir kaum inmitten seines Büros vor mehreren Zeugen etwas antun, oder?“ Doch. Das war durchaus vorstellbar. Aber sie wollte ihn keinesfalls ahnen lassen, dass sie etwas wusste. Was wusste sie auch schon?
Nicholas zuckte mit den Schultern
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