Nyx - House of Night: Das Begleitbuch (German Edition)
einmal versehentlich Schmutz oder Asche in seiner Wunde, und als sie verheilt war, war eine Verfärbung zurück geblieben. Als dieser Mensch dann am Feuer saß und mit seinen Freunden Geschichten austauschte, bemerkten sie vielleicht diese Veränderung. Sie experimentierten ein wenig und fanden Folgendes heraus: Wenn man eine frische Wunde erzeugte, einen Stock anbrannte und den Ruß in den Schnitt einbrachte, hatte man am Ende ein Tattoo. Was beweist, dass Menschen sich eine Menge einfallen lassen, wenn sie sich langweilen.
Jahrtausende später gibt es nun eine Geschichte über ein Mädchen an einer Highschool, das gerade einen schlechten Tag erwischt hat: Während Zoey Montgomery gerade damit beschäftigt ist, sich die Seele aus dem Leib zu husten, textet ihre beste Freundin sie mit Neuigkeiten über ihren betrunkenen Freund oder Exfreund und ein Football-Match zu. All das verliert sofort an Bedeutung, als Zoey den untoten Kerl neben ihrem Schließfach erblickt. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber auf mich haben auf der Highschool keine toten Jungs gewartet. (Und eigentlich auch nicht viele lebendige.) Was Zoey sofort auffällt, ist das Tattoo des Unbekannten, eine saphirblaue Mondsichel, die er auf der Stirn trägt, und die „verschlungenen Tätowierungen rund um seine ebenso blauen Augen“ 42
Dieser Kerl ist ein Vampyrspäher, und er ist nicht gekommen, um mit Zoey ihre Aufzeichnungen für die anstehende Geometriearbeit abzugleichen. Stattdessen hat er würdige Worte parat, die so gar nicht dorthin passen: „Sie wurde von der Nacht erwählt; ihr Tod wird ihre Geburt sein. Die Nacht ruft sie; höre und gehorche sie ihrer lieblichen Stimme. Das Schicksal erwartet dich im H OUSE OF N IGHT !“ 43 Nach einer kurzen Geste mit dem Zeigefinger und einem monströsen Anfall von Kopfschmerzen muss sich Zoey über ihre Arbeit keine Gedanken mehr machen. Sie hat jetzt ganz andere Sorgen, denn die Mondsichel auf ihrer Stirn verkündet nun aller Welt, dass sie ein Jungvampyr ist und einem gewissen H OUSE OF N IGHT angehört.
Und das alles wegen eines Tattoos.
EINE KURZE GESCHICHTE DES KÖRPERSCHMUCKS
Die verschiedenen Arten von Körperschmuck (Tätowierung, Skarifizierung, Piercing, Hennabemalung oder Make-up) spielen, abhängig von Kultur, Stammeszugehörigkeit oder Individuum ganz unterschiedliche Rollen. Vom simplen Auftragen von Make-up bis hin zum schmerzhaften Zufügen dauerhafter Narben bei der Skarifizierung, verändert das Ergebnis nicht nur die Haut, sondern auch die gesellschaftliche Wahrnehmung ihres Trägers. Während wir als Angehörige der westlichen Welt uns nichts dabei denken, wenn eine Frau Make-up trägt, so ist doch das Einbringen von Objekten unter die Haut oder die Tätowierung des Gesichts schon eine ganz andere Sache. In anderen Kulturen sind diese körperlichen Verschönerungen jedoch so alltäglich wie eine Schicht Grundierung und ein bisschen Mascara. Auch die Schönheit eines Tattoos entsteht im Auge des Betrachters.
Mit dem Stechen oder Ritzen und dem Einbringen von Farbpigmenten unter die Haut beim Tätowieren war immer schon ein gewisses Risiko verbunden, das selbst moderne Techniken und Werkzeuge nicht völlig bannen konnten. Das Wort Tattoo stammt von dem tahitianischen Begriff
tatau
, welcher „markieren“ bedeutet. Der älteste Beleg für diesen Hautschmuck wurde beim sogenannten Otzi entdeckt, dessen mumifizierte Überreste 1991 nahe der italienisch-österreichischen Grenze gefunden worden waren. Die Datierung mit der Carbon-14-Methode hat ergeben, dass er etwa 5.200 Jahre alt ist.
Auf James Cooks Reisen nach Tahiti während des 18. Jahrhunderts entdeckten zunächst seine Matrosen den farbigen Hautschmuck für sich und brachten ihn der europäischen und der amerikanischen Gesellschaft nahe, wo er anfangs in erster Linie in den unteren Schichten Verbreitung fand. Tätowierungen hatten einen gewissen Neuigkeitswert, und so brachten die Entdecker Ureinwohner unterschiedlichster Herkunft mit nach Hause – nordamerikanische Indianer, Afrikaner oder Polynesier -, um sie dort zur Schau zu stellen, sodass die Europäer die Tätowierungen der „Wilden“ begaffen konnten.
Erst im späten 19. Jahrhundert erkannte die europäische Oberschicht, was ihr bis dahin entgangen war, und legte sich selbst Tattoos zu. Selbst hohe Häupter wie König Frederik von Dänemark oder Zar Nikolaus ließen sich die Epidermis verzieren. König Edward VII (von England, Anm. d. Übers.) trug das
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