O diese Rasselbande
Ellbogen die Jungen auseinander, schiebt Fips zur Seite und pflanzt sich so flegelig wie möglich vor Silke auf.
„So geht das nicht“, sagt er in seinem trägen Tonfall, „die denkt ja, wir machen Spaß. - Hör’ zu, dies hier ist kein Mädchenpensionat. "Wir geben dir vier Wochen Zeit, deinem Vater klar zu machen, daß du in eine Mädchenschule gehörst, verstanden? Wir können hier keine Langhaarigen gebrauchen. Solange du hier bist, hast du dich in alles zu fügen, was die Klasse beschließt. Du hast weder zu Hause noch anderswo zu erzählen, was hier geschieht. Sollten wir durch deine Anwesenheit Unannehmlichkeiten mit den Paukern haben, so geht es dir schlecht.“
Er richtet sich in seiner ganzen Größe auf, und Silke wundert sich, wie groß und breitschultrig er ist.
„Es geht dir schlechter, als du dir träumen läßt! - Verhältst du dich aber anständig, so wird dir in diesen vier Wochen kein Haar gekrümmt.“
Silke hat dem Jungen ruhig zugehört, und nun gleiten ihre Augen von einem Jungengesicht zum anderen. Sie stehen alle um sie herum und überall sind es feindliche oder ablehnende Blicke, denen sie begegnet. Sie findet, daß sie jetzt etwas sagen muß, die Jungen sollen nicht denken, sie sei auf den Kopf gefallen, nur weil sie ein Mädchen ist. Sie wird ihnen schon zeigen, daß auch ein Mädchen ganz vernünftig sein kann. „Ich finde, ihr seid alle ziemlich überheblich“, sagt sie, „nur weil ihr Hosen anhabt. Wenn euch mein Rock stört, kann ich morgen ja in Hosen kommen, und im übrigen bleibe ich solange hier, wie es mir paßt. Ich sehe keinen Grund, warum ich euch stören könnte. Aber gut, wartet die vier Wochen doch erstmal ab. Dann können wir immer noch sehen, ob es so wichtig ist, daß ich wieder aus der Klasse ausscheide.“
Die Jungen sind erstaunt, daß das Mädchen so ruhig spricht. Schließlich ist es wirklich nicht einfach, in einer Klasse neu zu sein und dann noch als einziges Mädchen unter lauter Jungen, die sie angreifen.
Die Langhaarige zeigt Haltung, das sehen sie alle.
Onkel grinst von einem Ohr zum anderen.
„Ich bin überzeugt, daß du selbst froh sein wirst, hier wieder raus zu kommen“, sagt er.
In diesem Augenblick wird die Tür aufgerissen, und Günter Frei, der heute Postendienst hat, springt herein, steckt zwei Finger in den Mund und stößt einen scharfen Pfiff aus. Sekundenschnell sind die vorderen Bänke um Silke leergefegt, und jeder Junge sitzt auf seinem Platz. Fips packt sie am Arm und schiebt sie in die erste Bank, direkt vor dem Katheder. „Hier herein“, sagt er kurz und verschwindet auf seinen Platz. Es klingelt, und im selben Augenblick geht die Tür auf und Dr. Meyer, klein, blaß und etwas krummbeinig, betritt die Klasse.
Dieser Lehrer hat der UIII den Namen „Rasselbande“ gegeben, unter dem sich die Jungen zu einer geschlossenen Einheit zusammengetan haben. Er hatte all seine Abneigung und seine Verachtung in dieses Wort gelegt, und die Jungen haben sich eine Ehre daraus gemacht.
Dr. Meyer haßt die UIII geradezu um ihres besten Tricks willen, nach einem Streich immer gemeinsam aufzustehen, wenn der Übeltäter gesucht wird. Es scheint ihn ein Jagdfieber ergriffen zu haben in der Suche nach dem Einzelsünder in der Rasselbande. Doch gelingt es ihm fast nie, diesen zu erwischen. Wenn es ihm aber einmal gelingt, dann sind seine Strafen doppelt hart.
Man kann nicht gut eine ganze Klasse von der Schule weisen. Jedenfalls ist das in der Geschichte des Johanneums noch nie vorgekommen.
„Ich werde euch alle einzeln zum Teufel jagen!“ schrie er einmal außer sich vor Wut, und hatte damit, ohne es zu wissen, die Klasse dazu gebracht, sich zusammenzuschließen, um die Bestrafung einzelner fast unmöglich zu machen. Diese Einigkeit hat noch den Vorteil, daß auch die blauen Briefe, die nach drei Tadeln im Klassenbuch nach Hause geschickt wurden, allen Eltern der Klasse zugestellt werden mußten. Jeder sagte dann prompt dem erzürnten Vater: »Ich war gar nicht dabei, Vater, die ganze Klasse muß für einen Streich herhalten und alle haben einen Brief bekommen.“
Oder: „Die ganze Klasse mußte brummen, da mußte ich natürlich auch da bleiben.“
Die ganze Klasse geschlossen, schien ein Ungeheuer, das die Nerven der Lehrer langsam zerrieb. Einzeln waren die Jungen alle Unschuldslämmer, höflich, gut erzogen und korrekt.
Durch ein Leiden muß Dr. Meyer ein Bein etwas nachziehen und macht darum nur ganz kleine Schritte, darum
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