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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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daß sie die Wahrheit sagte. Der Eisregen ging gerade in Schnee über.
    »Schnee!« quiekten wir beide los und streckten die Zunge raus, um die Flocken aufzufangen.
    »Wie schrecklich«, seufzte Mary Alice und drehte sich mit ausgestreckten Armen im Kreis.
    »Wie furchtbar. Wir werden eingeschneit.« Ich sprang die Stufen hinunter.
    »Wir haben nicht genug Lebensmittel im Haus. Ich muß Suppe kochen.«
    »Und Eintopf. Unmengen Eintopf, den man über dem offenen Feuer warm machen kann.«
    Schnee. Schnee, der die gesamte Stadt lahmlegen würde. Jede Menge Probleme verursachen. Schnee. Dieser fürchterliche Schnee.
     Zwei alte Damen aus dem Süden, die bisher so selten etwas von diesem weißen Zeug zu sehen bekommen hatten, tanzten im Garten
     umher und feierten das herrliche Weihnachtsgeschenk. Woofer kam aus seinem Iglu, um zu sehen, |121| weshalb wir so außer Rand und Band waren, bellte einmal, befand uns für verrückt und verzog sich wieder in seine Hütte.
    »Ich beeile mich besser. Jetzt mal im Ernst.« Schwesterherz lief zu ihrem Wagen, und ich rannte schnell wieder hinein in die
     warme Küche.
    »Es schneit!« brüllte ich Fred aus dem Flur zu. »Komm und sieh dir das an.«
    Genau wie Mary Alice und ich ist auch Fred, wenn es um Schnee geht, wie elektrisiert. Geboren und aufgewachsen in Süd-Alabama,
     hat er eher noch weniger davon gesehen als wir. Wir schalteten die Außenbeleuchtung an der Rückseite des Hauses an und saßen
     am Erkerfenster, um die Flocken zu beobachten. Die Tatsache, daß wir sie einzeln hätten zählen können, machte die Sache nicht
     weniger aufregend.
    »Morgen abend stellen wir definitiv den Weihnachtsbaum auf«, kündigte er an. »Und dieses Wochenende machen wir unsere restlichen
     Einkäufe. Warum sind wir neulich abend nicht wie geplant losgezogen?«
    »Weil Haley zum Abendessen kam.«
    »Was hat sie zu diesem DMS O-Zeug gesagt?«
    »Es könnte folgendermaßen gewesen sein. Jemand könnte das Digitalispräparat mit DMSO vermischt haben, und dann ist es vom
     Körper absorbiert worden. Tierärzte benutzen es häufig. Zum Beispiel für geschwollene Pferdeknie.«
    »Ich wette, Mort Adkins schmiert sich das auf seine Gelenke, bevor wir Golf spielen. Er hat eine kleine Flasche, die wie das
     Zeug aussieht, das du dir in die Augen träufelst. Mit Tropfenzähler und allem. Er schlägt keinen Ball ab, bevor er nicht auf
     jedem seiner Knöchel ein oder zwei Tropfen verrieben hat.«
    »Schon möglich.« Mort Adkins ist unser Tierarzt und ein so begeisterter Golfspieler, daß seine Sprechzeiten allmählich immer
     kürzer werden. »Man braucht nicht mal ein Rezept dafür.«
    |122| »Klingt gefährlich.«
    »Kann es auch sein. Offenkundig.«
    Wir saßen da, bestaunten den Schnee und dachten nach.
    »Bonnie Blues Bruder James ist Tierarzt«, erklärte ich. »Ihm gehört eine Tag-und-Nacht-Klinik in Indian Trails.«
    »Das ist ja interessant. Weißt du irgendwas über ihn?«
    »Ich wußte nicht mal, daß er Tierarzt ist, bis Schwesterherz es mir erzählt hat. Man kann das Zeug aber überall kaufen.«
    »Doch wer kennt so was?«
    Ich zuckte die Achseln. »Laß uns über Weihnachten reden. Wir sollten dieses Jahr einen echten Weihnachtsbaum kaufen.«
    »Da bin ich absolut dagegen. Zu gefährlich. Weißt du noch, wie beim Tanzabend des Camellia Clubs dieser Baum in Flammen aufging?
     Es ist ein Wunder, daß nicht der ganze Saal abgebrannt ist.«
    »Ich muß also wieder den alten Flaschenbürstenbaum runterholen.«
    »Patricia Anne, Weihnachtsbäume sehen doch alle gleich aus.« Diesen Spruch hatte ich schon so oft gehört, daß ich ihn mitsagen
     konnte. »Sie unterscheiden sich nur durch das, was du dranhängst.«
    »Und durch den Geruch. Unser Baum riecht nach Formaldehyd und Mottenkugeln.«
    »Benutz doch so ein Spray. Hey« – Fred lehnte sich so dicht ans Fenster vor, daß die Scheibe von seinem Atem beschlug   –, »findest du nicht, daß es schlimmer wird da draußen? Sieh nur, wie das Verandageländer schimmert.«
    »Wie wäre es mit einem Myrtenkranz?« sagte ich. »Den könnten wir über den Kaminsims hängen, und er würde gut duften.«
    »Sehen wir mal.«
    Ich hatte bereits fest eingeplant, am nächsten Tag einen zu kaufen, einen riesengroßen, den ich im Gartencenter entdeckt hatte
     und der ein Vermögen kostete.
    |123| »Du hast recht«, pflichtete ich ihm bei. »Ich denke, der Schnee wird stärker.«
    Um zwei Uhr wachte ich durch ein ungewöhnliches Geräusch auf. Woofer

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