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O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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wie Lady Macbeth.
    »Soll ich lieber hinter Ihnen herjagen?« fragte sie.
    »Nein. Ich mach’ es schon. Also noch mal von vorn.«
    |261| Wir rannten die Stufen hinab. Claire riß die Tür auf, und diese krachte gegen meine Faust.
    »Scheiße«, sagte ich und wedelte mit meiner heftig schmerzenden Hand in der Luft umher.
    »Wo haben Sie sich angeschlagen?«
    »An der Tür.«
    »Ich meine, an welcher Stelle?«
    »Ich weiß nicht. Haben Sie Eis da?«
    »Im Kühlschrank.« Claire trat ein Stück zurück und studierte abermals die Tür. »Ich weiß was. Ich hole Kreide. Sie halten
     sie fest, und dann können wir wirklich feststellen, an welcher Stelle Ihre Hand auf die Tür getroffen ist.«
    »Vielleicht habe ich mir ja die Hand gebrochen.« Ich untersuchte, ob sie anschwoll. Sie tat es.
    »Ich hole die Kreide«, sagte Claire und sauste in die Küche. Sie erinnerte mich allmählich stark an Mary Alice.
    Ich betrachtete immer noch meine Hand, die zusehends anschwoll, als Claire zurückkam. »Okay, machen wir’s noch mal. Und diesmal
     schlagen Sie mit der Kreide gegen die Tür, Mrs.   Hollowell.«
    »Laufen Sie schnell«, sagte ich.
    Diesmal war ich dicht hinter ihr, als sie die Tür öffnete. Die Kreide brach entzwei, aber ich schaffte es, meine lädierte
     Hand vor weiteren Verletzungen zu bewahren.
    Claire steckte den Kopf durch die Tür. »Wo ist die Markierung?«
    »Gleich hier. Was wollen Sie denn damit beweisen?«
    »Wie weit ist der Kreidefleck von der Einstichstelle weg?«
    »Er befindet sich einen guten halben Meter weiter rechts.«
    »Und er ist schief, weil die auffliegende Tür dagegengeknallt ist.« Claire untersuchte den roten Strich eingehend.
    »Und?«
    »Mrs.   Hollowell, ich renne. Mir auf den Fersen ein Mann oder eine große Frau mit einem Messer. Einem Messer, das |262| wie ein Fleischermesser aussieht. Ich reiße die Tür auf, und er (oder sie) macht einen Satz nach vorn. Trifft das Messer die
     Tür dann auf der linken Seite oder genau in der Mitte?«
    »Beides wäre möglich«, sagte ich. »Es hinge davon ab, wie weit die Person von Ihnen entfernt war.«
    »Aber das Holz würde splittern. Die Tür wurde aufgeschleudert, denken Sie dran. Der Schnitt wäre so schief wie der Kreidestrich.
     Jetzt sehen Sie sich die Kerbe an.«
    Ich tat es. Sie sah tief aus, aber sie war gerade und hatte glatte Ränder.
    »Das Messer wurde gerade hineingerammt«, sagte Claire.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte ich.
    »Ich auch nicht.« Claire saß auf den Stufen und musterte skeptisch die Tür. Ich setzte mich neben sie, meine verletzte Hand
     vorsichtig in die gesunde gebettet.
    »Haben Sie sich die Hand verletzt?« fragte sie.
    Ich nickte. »Ich hab’ sie mir an der Tür angeschlagen.«
    »Ich hole Ihnen Eis«, sagte Claire. Sie stand auf, den Blick nach wie vor auf die Tür gerichtet. »Macht es Ihnen was aus,
     wenn wir das Ganze noch einmal durchspielen?« Sie hob die Kreide auf und hielt sie mir hin.
    Ich schüttelte den Kopf. »Diesmal sind Sie der Killer.«
    Wir brachten uns in Stellung, und ich sauste die Treppe hinunter, riß die Tür auf und rannte geradewegs Officer Bo Mitchell
     in die Arme. Rums, knallte die Kreide gegen die Tür, während Bo und ich ineinanderprallten, ins Straucheln gerieten und in
     einer Sasanqua-Kamelie neben der Veranda landeten.
    »O Gott«, stöhnte Claire. »Alles in Ordnung mit Ihnen?« Da ich oben lag, half sie mir als erster hoch. Bo Mitchell lag unten,
     mit dem Rücken im Busch. Da diese japanische Kamelienart im Dezember blüht, hatte sich ein weißer Blütenschauer über ihre
     dunkelblaue Uniform ergossen.
    »Ziehen Sie mich hier raus«, sagte sie. »Ich stecke fest.«
    |263| Claire zog und ich schob. Sasanqua-Kamelien machen vielleicht einen zarten Eindruck, aber es sind dicke Büsche mit starken
     Ästen.
    »Was zum Teufel soll das!« sagte Bo Mitchell, während sie wieder auf die Füße kam.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Alles in Ordnung?«
    »Ich denke schon. Ich vermute allerdings, der Busch hat es hinter sich.«
    »Ich bin bloß froh, daß Sie dort gelandet sind«, sagte Claire. »Wenigstens hat er Sie abgefangen.«
    »Einigermaßen zumindest.« Bo Mitchell besah sich einen langen, häßlichen Kratzer auf ihrer Hand.
    »Kommen Sie rein. Ich werd’ Ihnen da was drauftun«, erbot sich Claire.
    »Und ich hätte gern etwas Eis«, sagte ich. »Für meine Hand.«
    Wir marschierten in die Diele und Richtung Küche.
    »Was für eine Art Spiel spielen Sie hier

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