Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
gab sie ihr, und Bo schrieb sie in ein kleines Notizbuch.
    »Danke. Diesmal finde ich selbst hinaus, okay?«
    Ich folgte Bo jedoch in den Flur. »Wollen Sie damit sagen, Claire kommt in der Mordsache Mercy als Tatverdächtige in Betracht?«
     fragte ich.
    »Mrs.   Hollowell, ich habe gesagt, was ich zu sagen hatte. Schönen Tag erst mal. Ich kenne einen guten Orthopäden für den Fall, daß
     Sie einen brauchen.«
    »Danke.«
    Als ich in die Küche zurückkam, war Claire dabei, den Asparagus zu besprühen. »Verdammt«, sagte sie. »Verdammt.«
    Exakt das, was ich auch dachte.

|267| 16
    Ich setzte mich an den Küchentisch und hielt meine Hand wieder in die Eisschüssel. Ein stechender Schmerz durchzuckte meinen
     Arm. Wie zum Teufel sollte ich das einem Arzt erklären? Oder Fred? Ich konnte mir den Ausdruck auf seinem Gesicht bereits
     vorstellen, wenn ich ihm erzählte, daß ich Claire Moon mit einem imaginären Messer hinterhergejagt war und mir dabei die Hand
     an einer massiven Holztür angeschlagen hatte. Er würde die Augenbrauen hochziehen und die Ohren flach an den Kopf anlegen,
     wie immer, wenn er verärgert und verblüfft zugleich war. Mary Alice nennt das seinen Pitbull-Blick. Sie hat ihn schon häufig
     zu sehen bekommen und bewundert ihn, ja versucht sogar, ihn nachzuahmen – ohne Erfolg, weil sie nicht mit den Ohren wackeln
     kann, was die Grundvoraussetzung dafür ist. Gott sei Dank. Wenn sie sich beide mit diesem Pitbull-Blick anschauen würden,
     wäre das ziemlich strapaziös für die Nerven der restlichen Familienmitglieder.
    Ich sah Claire zu, wie sie die Pflanze besprühte und goß, die ich bereits besprüht und gegossen hatte. Sie nahm einen kleinen
     Staubsauger und saugte die Nadeln auf. Dann wischte sie die weiße Anrichte ab, stellte Bo Mitchells Glas in die Spülmaschine
     und justierte die Jalousie so, daß das Licht gerade angenehm war. Als sie da in ihren schwarzen Sachen in der weißen Küche
     herumwerkte, sah sie aus wie ein Schatten, den irgend jemand verloren hatte. Ich versuchte mich daran zu erinnern, in welchem
     Kinderbuch jemand nach seinem verlorenen Schatten suchte. War das in ›Peter Pan‹?
    |268| »Die Sache ist die«, sagte sie, und ich zuckte erschrocken zusammen. »Ich war den Großteil des Nachmittags, bevor Mercy umgebracht
     wurde, allein in der Galerie. Ich hätte also ausreichend Gelegenheit gehabt, mich an ihrem Haarspray zu schaffen zu machen.
     Sehen wir also den Tatsachen ins Auge: Wenn niemand versucht hat, mich zu töten, wenn ich selbst dies alles inszeniert habe«
     – sie deutete auf die restliche Wohnung   –, »dann macht mich das zur Verdächtigen Nummer eins. Richtig?« Sie kam zu mir herüber, nahm sich einen Stuhl und setzte sich.
     »Stimmt doch?«
    »Vielleicht«, sagte ich. »Vielleicht aber auch nicht.« Ich nahm meine Hand einen Moment lang aus dem Eis und beäugte die Schwellung.
     »Ich denke, wenn Bo Mitchell einen ernsthaften Verdacht hegen würde, dann hätte sie Sie mitgenommen, um Sie zu verhören. Ich
     glaube, sie hat nur ein bißchen auf gut Glück nachgestochert.«
    »Ich sollte mich aber vielleicht dennoch mit einem Anwalt unterhalten. Wie, sagten Sie noch mal, ist der Name Ihrer Nichte?«
    »Debbie Nachman. Sie ist Mary Alices Tochter. Und vielleicht ist es wirklich eine gute Idee, sie anzurufen. Oder sonst einen
     Anwalt.«
    Claire stützte die Ellenbogen auf den Glastisch und legte das Kinn in die Hände. »Ich bin so müde«, sagte sie.
    Sie sah auch so aus. Seit Bo Mitchells Besuch waren die Falten zwischen Claires Augen und die dunklen Ringe darunter zurückgekehrt.
    »Ich werde Ihnen dabei helfen, Ihre Sachen zusammenzusuchen«, bot ich an. »Und warum lassen Sie sich nicht von einem der Zwillinge
     zu den Butlers runterfahren?«
    Claire schüttelte den Kopf. »Es geht schon.«
    Das Telefon klingelte, und wir fuhren beide erschrocken hoch. »Ich habe den Anrufbeantworter eingeschaltet«, sagte Claire.
    |269| »Bist du da, Claire?« Es war die Stimme von einem der Zwillinge. »Wenn ja, nimm doch bitte ab.«
    Claire zuckte die Schultern, stand auf und ging ans Telefon. »Hi, Glynnie«, sagte sie.
    Ich untersuchte meine geschwollene Hand und lauschte der einseitigen Konversation. Nein, sie sei nicht allein. Mrs.   Hollowell sei hier. Und ja, sie würden den Mietwagen bald zurückbekommen, und natürlich sei mit ihrem Auto alles in Ordnung
     und es stünde in der Garage. Glynnie habe recht gehabt. Sie hätte nicht daran

Weitere Kostenlose Bücher