Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

O du Mörderische

Titel: O du Mörderische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
Vom Netzwerk:
gedacht.
    »Ich hätte einen der Zwillinge mit hierhernehmen sollen«, erklärte sie, als sie wieder an den Tisch zurückkam. »Auf diese
     Weise hätte ich mein eigenes Auto nehmen können. Ich hatte den Kopf voll mit tausend anderen Dingen.«
    Ich hätte ihr anbieten können, ihr Auto zum Hotel zu fahren, aber ich wollte nur noch nach Hause.
    »Haben Sie Aspirin da?« fragte ich.
    »Natürlich.« Claire griff in das Wandschränkchen und reichte mir ein Röhrchen. »Möchten Sie noch etwas Cola?«
    Ich schüttelte den Kopf und schluckte drei Aspirin, während Claire sich wieder setzte.
    »Ich muß jetzt wirklich heim«, sagte ich.
    »Ich hol’ meine Sachen.« Aber dieser Ankündigung folgte keine Tat. Statt dessen lehnte sich Claire zurück und blickte aus
     dem Fenster. »Mein Mann war Künstler, Mrs.   Hollowell.«
    Ich konnte nicht nachvollziehen, was Claire auf ihren Mann gebracht hatte, aber er war ein Teil ihres Lebens, über den ich
     mir Gedanken gemacht hatte, und so tauchte ich meine Hand wieder in die Schüssel mit Eiswürfeln und lauschte ihr.
    »Er war ein brillanter Karikaturist. Auf diese Weise habe ich ihn auch kennengelernt. Wir hatten beide Ferienjobs bei Disney
     World. Er zeichnete Karikaturen, und ich bin kostümiert rumspaziert und habe Eis verkauft. Wir landeten in Kalifornien, |270| als er einen Job als Trickfilmzeichner in den Disney-Studios bekam. Wir dachten damals wirklich, wir hätten es geschafft.«
     Claire zuckte die Achseln. »Und dann starb er.«
    »Was passierte?«
    »Drei Teenager haben ihn auf der Autobahn erschossen. Sie behaupteten, er habe sie geschnitten.«
    »Mein Gott!«
    Claire drehte den Kopf zu mir und sah mich an. »Ich hatte einen totalen Zusammenbruch. Wenn Thurman und Mercy nicht gewesen
     wären, weiß ich nicht, was aus mir geworden wäre. Sie taten alles für mich, unter anderem sorgten sie auch für einen mehrmonatigen
     Aufenthalt in einer Klinik.«
    Ich berührte ihren Arm. »Das tut mir wirklich leid.«
    »Mir auch, Mrs.   Hollowell. Und jetzt ist Mercy tot, und ich bin wieder ausgerastet, dem Zustand dieses Hauses und meiner Einweisung ins Krankenhaus
     unter Schock nach zu urteilen. Glauben Sie nicht, daß die Polizei eins und eins zusammenzählen kann?«
    »Nicht, wenn dabei nicht zwei herauskommt. Claire, es gibt Millionen von Menschen, die wegen seelischer Probleme Hilfe erhalten,
     so wie Tausende wegen irgendwelcher Geschwüre behandelt werden. Beides ist schmerzhaft und beides behandelbar. Haben Sie ein
     bißchen Vertrauen in die Polizei. Sie werden Sie nicht eines Verbrechens anklagen, nur weil Sie schon mal zur Behandlung in
     einer psychiatrischen Klinik waren.«
    Claire seufzte. »Sie haben recht. Es ist nur so, daß mir die Dinge allmählich klar werden. Zum Beispiel Mercys Tod.« Sie schob
     ihren Stuhl zurück. »Ich hol’ jetzt meine Sachen.«
    Ich nahm meine Hand aus dem Eis, wickelte sie in ein Geschirrtuch und folgte ihr den Flur hinunter.
    »Das macht mich krank«, sagte sie und zeigte auf die aufgeschlitzten Möbel. »War er auch in den Schlafzimmern?«
    »Ja. Er hat Farbe oben auf die Wände gesprüht.«
    |271| »Damit war er gerade beschäftigt, als ich kam, stimmt’s?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    »Und er hat mich reinkommen hören«, fuhr Claire fort. Sie blieb am Fuß der Treppe stehen.
    »Ich komme mit Ihnen hoch«, sagte ich. »Es sieht nicht sehr schön dort aus.«
    Im Hauptschlafzimmer war das riesige »Hure« über dem Bett noch genauso schockierend wie damals, als ich es zum ersten Mal
     gesehen hatte. Ein Teil des Effekts rührte daher, daß die Farbe heruntergelaufen war und es so wirkte, als seien die Buchstaben
     mit feuchtem, herabrinnendem Blut geschrieben.
    Claire schlug die Hand vor den Mund.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?« fragte ich.
    Statt zu antworten, rannte sie ins Badezimmer.
    Ich blickte mich in dem Raum um. »Du wirst sterben« stand in blauer Farbe auf eine Seitenwand geschrieben, wobei das »Du«
     viel größer war als die beiden anderen Wörter. Offenkundig hatte der Maler zu spät bemerkt, daß ihm der Platz ausging. Das
     »Du« hatte außerdem einen Linksdrall. Ein Handschriftenexperte würde eine Menge damit anfangen können, dachte ich. Aber Bo
     Mitchell und ihre Kollegen hatten sicher längst daran gedacht.
    Die Geräusche, die von der Toilette her zu hören waren, machten mir keine Hoffnung, daß Claire bald wieder herauskommen würde.
     Ich ging in das andere Schlafzimmer hinüber, wo

Weitere Kostenlose Bücher