O-Män - fast fantastisch
Unterarm kneift. Und das tut er regelmäßig, alle fünf Minuten. Nein, das ist kein schlechter Film, und es ist leider auch kein Albtraum. Der Schüler Pfitzner befindet sich real und wahrhaftig in einer gewissen Wohnung in der Rotensterngasse Nummer vier. Seit über vierundzwanzig Stunden hockt er im Badezimmer des Herrn Professor Schläfrich in der leeren Badewanne und zwickt sich alle dreißig Minuten in Wange oder Unterarm. Warum er das tut, erklärt sich so:
Der Schüler Pfitzner hat sich bekanntermaßen gestern das Handy von Cheyenne Blue Haselnötter unter den Nagel gerissen, weil er eifersüchtig war. (Und immer noch ist, obwohl er aufgrund seiner momentanen Situation eher andere Sorgen haben müsste. Allerdings wäre er viel lieber zu Hause in seinem Zimmer eifersüchtig als in einer leeren Badewanne). Der Schüler Pfitzner ist zornigen Schrittes die Taborstraße hinaufgestampft, als das stibitzte Handy zu läuten begonnen hat. Die seltsame Nummer sowie der Verdacht, hinter dem verschlüsselten Anrufer könnte sich der verhasste Pommfritz verbergen, veranlasste den Schüler Pfitzner, den Anruf erzürnt entgegenzunehmen. Er war bereit, seinem Rivalen telefonisch den Fehdehandschuh ins Gesicht zu schmettern, aber das Telefonat verlief rätselhaft. Eine triefende Stimme trug folgendes vor:
„Glubschgeäug, Tentakelsterz,
bewegend ist der Weltenschmerz.
Raumschiffdunst und Lurchenei,
die Warterei ist jetzt vorbei!
Ich bin mir sicher, du kommst gern
ins Gässchen mit dem roten Stern.
Ich verzehre mich nach dir
im letzten Stock, Haus Nummer vier!
(Bei ‚Hr. Prof. Schläfrich‘)!“
Dann wurde aufgelegt. Der Schüler Pfitzner war kurz baff, dann hat er wütend geschnaubt, voller Kampfesmut. „Weh dir, Ondruschka!“, hat der Schüler Pfitzner, in einem seltenen Anfall von Poetik, bebend in den Nachmittag gerufen. So laut, dass ein paar Tauben aufgeflattert sind und einer älteren Dame die Pelzmütze vom Kopf geweht wurde. „Jetzt kracht es!“, hat der Schüler Pfitzner beschlossen und ist geradewegs in die Rotensterngasse gelaufen, hat bei „Hr. Prof. Schläfrich“ Sturm geläutet, beflügelt von brodelnder Wut und ohne das Wichtigste zu bedenken: Dass nämlich in der Wohnung von Professor Schläfrich ein grässliches Schleimmonster wohnt, das Hundebeine verspeist und übel riecht. Und dass Cheyenne Blue sich aber ganz sicher nicht ein romantisches Date gerade dort ausmachen wird. Blind vor Wut ist der Schüler Pfitzner die Treppe geradezu hinaufgeflogen und hat genau an der Türe wieder Sturm geläutet, vor der er letztens panisch Reißaus genommen hatte.
Im Nachhinein betrachtet, war das ein ziemlicher Fehler, das weiß der Schüler Pfitzner jetzt. Aber wer kann denn auch ahnen, dass diese Türe, an der man eben noch ganz normal sturmläutet, wie von Geisterhand aufgeht, sich einem ein schleimiger Tentakel um den Hals wickelt und einen mit einer solchen Kraft in die Wohnung zerrt, dass man das Bewusstsein verliert?
Auch erkennt der Schüler Pfitzner, dass man oft im
Nachhinein klüger ist. Aber diese Erkenntnis nützt ihm leider gar nichts. Wer in einer leeren Badewanne hockt und hin und wieder von einem Schleimmonster neugierig beäugt wird, der kann gerne auf die nachträgliche Klugheit verzichten. Noch dazu, wo die ganze Wohnung randvoll ist mit diesen ekligen, schleimigen Dingern, die aus Tentakeln, mehreren Augen und einem schnabelartigen Mund bestehen, aus dem ständig giftgelber Schleim tropft. Der Ammoniakgeruch ist überwältigend.
Den ganzen Tag schon treffen irgendwelche Leute ein, die zuerst ganz normal aussehen, sich dann aber binnen Stunden in Tentakelmonster verwandeln. Die dann vor der Badezimmertüre beraten, was mit ihm, dem Schüler Pfitzner, geschehen soll. Zum Glück können sie sich nicht einigen, ob sie ihn verspeisen oder auf ihr blödes Mutterschiff teleportieren sollen, um ihn wissenschaftlich zu untersuchen. Im Zweifelsfall wäre der Schüler Pfitzner natürlich für Letzteres, wenn man ihn nicht schon nicht wieder laufen lässt. Aber das haben diese Schleimheinis von vornherein abgelehnt, denn da könnte ja jeder kommen und die geheimen Invasionspläne verraten.
Das mit den Invasionsplänen gibt dem Schüler Pfitzner sehr zu denken. Die Tentakeltypen müssen Außerirdische sein, so viel hat er sich schon zusammengereimt, von wegen Mutterschiff und so. Den ganzen unglaublichen Rest hat er ihren Gesprächen entnommen: Sie „wecken“ ihre „Schläfer“ mit einem
Weitere Kostenlose Bücher