O-Män - fast fantastisch
Mama, während Papa Elvis eine Grimasse schneidet, aus Sorge, dass Mama versehentlich Opas Hintern an die weiße Hose anheftet.
„Kinderl, ich kann halt nicht aus meiner Haut!“, ruft Opa Alois. „Der Elvis, der hätte sich von einer künstlichen Hüfte auch nicht aufhalten lassen!“
Seufzend tackert Ottos Mama weiter, da beugt sich Otto zu ihr hinunter und gibt ihr ein Küsschen. „Danke, Mama!“, flüstert er ihr ins Ohr. So ein tolles Kostüm hat sie gemacht, in so kurzer Zeit!
Beschwingt läuft Otto hinter die Bühne, um sich umzuziehen. Zuerst fabriziert er mit viel zu viel von Opas Pomade eine gewaltige Haartolle. „Wenn schon Elvis, dann aber richtig!“, brummt er zufrieden und steigt ins Kostüm. „Was für ein Anblick!“, schmachtet er in den Spiegel, während er sich die Gesichtsmaske umbindet. Dann wackelt er ganz schnell mit der Hüfte und deutet einen Karatekick nach vorne an. Richtig cool, findet er. Die Bösewichter und Tunichtguts können schon mal in Deckung gehen! „Are you looking for trouble?“, erkundigt er sich bei seinem Spiegelbild.
„Wie schaust denn du aus?“, vernimmt er die Stimme seines Vaters, der ebenfalls dabei ist, sich umzuziehen. Versonnen toupiert sich Papa Elvis die Brustbehaarung, die einige Damen gesetzteren Alters regelmäßig zu wahren Kreischausbrüchen verleitet. „Was gibst du denn heute, Otterl? Elvis auf postmodern?“
Otto verkündet stolz: „Das ist mein neuer Arbeitsdress! Ich heiße O-Män, wenn ich ihn trage, und bin dann super! Vergesst nicht, mich mit diesem Namen anzukündigen!“
„Na, ich bin gespannt, was der Opa dazu sagt!“, brummt Papa Elvis und bürstet seine umfangreichen Kotletten, bis sie glänzen.
Vorsichtigen Schrittes betritt nun Opa Alois die Garderobe, gefolgt von der genervten Mama. „Deine Frau hat mich getackert! Zweimal!“, jammert er.
„Weil er nicht stillhält!“, meckert Mama. „Dauernd dieses Gewackel! So kann ich nicht arbeiten!“
Dieser kleine Streit verhindert zu Ottos Glück, dass man sich zu sehr mit seinem neuen Bühnenoutfit auseinandersetzt. Otto macht, dass er aus der Schusslinie kommt, und öffnet vorsichtig den Bühnenvorhang. Er will heimlich in den Gastgarten linsen, um zu sehen, ob die Show heute gut besucht ist. „Ein volles Haus für O-Mäns Debut wäre schon super!“, denkt Otto, obwohl er natürlich auch ein bisschen nervös ist. Aber, wie Opa Alois immer meint: Lampenfieber gehört nun einmal zum wirklich großen Künstler.
Fräulein Rehlein sitzt heute im Publikum, Otto nimmt es erfreut zur Kenntnis. Neben ihr sitzt ein Mädchen von eher kleinem Wuchs, sehr zierlich, mit hübschem Gesicht und einer glitzernden Zahnspange. Irgendwie kommt Otto dieses Mädchen bekannt vor, wo hat er sie schon mal gesehen? Sein Blick wandert weiter durch den Schanigarten. Auch der Tisch des Fanclubs ist voll besetzt, und die Damenrunde von der Konditorei Zigeunerbaron ist ebenfalls komplett anwesend. Sogar die Geisterbahnbesitzerin, die alte Frau Maroni, und ihr hagerer Lebensgefährte sind heute unter dem Publikum. Plötzlich wird Otto bleich hinter seiner Maske.
„Ich kann nicht auftreten! Nicht heute!“, schluckt er. In seinem Hals machen sich mindestens drei Frösche breit. Fräulein Rehlein hat Otto entdeckt und winkt in Richtung Bühne. Otto bemerkt es nicht, denn sein schreckgeweiteter Blick zuckt über den Tisch ganz am rechten Rand des Gastgartens. An diesem Tisch sitzen, Red Bull schlürfend und Possen reißend, Cheyenne Blue, Waldi Eschbacher und ein paar andere aus Ottos Klasse. Der Schüler Pfitzner ist nicht dabei, aber der war ja heute auch nicht in der Schule. „Ich singe nicht!“, krächzt Otto.
Mama, die neben ihm durch den Vorhang linst, schüttelt ungläubig den Kopf. „Wieso denn auf einmal?“
„Ich kann nicht! Ich habe Angst, mich zu blamieren!“ „Ich sag ja, das Kostüm ist blöd!“, ruft Papa Elvis. Er rückt sein winziges Glitzercape zurecht und richtet sich die riesige glitzernde Gürtelschnalle des schneeweißen Elviskostüms.
Otto fängt an, sich sein Kostüm wieder auszuziehen. „Otterl, was machst du denn? Ein bisschen Lampenfieber hat noch keinem geschadet!“
Aber Otto ist wild entschlossen, aufzugeben. „Da unten sitzt meine halbe Klasse, irgendeiner muss die Ankündigung im Internet gesehen haben“, ruft er. „Die werden sicher irgendwie meinen Auftritt ruinieren! Was glaubt ihr, was morgen in der Schule los ist? Ich geh da nicht raus!“
Mama
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