Oase der Versuchung
Er drehte den Kopf so, dass sie sein Gesicht im Halbprofil sehen konnte. „Sie finden wohl, ich brauche eine neue?“
Ärgerlich sog sie die Luft ein.
Gespielt nachdenklich schüttelte Hassan den Kopf. „Puh! Da kann ich ja von Glück reden, dass ich Ihnen nicht während der OP gesagt habe, wer ich bin.“
Sie kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Aber jetzt weiß ich es, und ich habe die Skalpelle immer noch griffbereit. Wer weiß, wie die Nachversorgung der Wunde verlaufen wird … Vielleicht fängt sie auch an zu eitern, keine Ahnung. Dass Sie sich allein darum kümmern können, glauben Sie doch selbst nicht. Sie kommen ja nicht einmal richtig hin. Aber wenn eine zweite OP fällig wird, kann ich für nichts garantieren …“
Hassan tat, als wäre er entsetzt. „Sie werden doch Ihre Macht über mich nicht ausnutzen? Denken Sie an Ihren ärztlichen Eid, den Menschen zu helfen! Sie dürfen mich bei einer Operation nicht einfach quälen! Wollen Sie sich über meine Hilflosigkeit und meine Schmerzen freuen? … Also gut, wenn es unbedingt sein muss. Wenn Sie es so wollen …“
„Was soll das?“, fragte sie und sah ihn mit ihren blauen Augen kühl an. „Sind Sie masochistisch veranlagt, oder was? Wirkt ja fast so!“
„Nein, natürlich nicht. Jedenfalls bisher nicht. Aber ich stelle gerade fest, dass mir alles recht ist – Hauptsache, es kommt von Ihnen.“
„Pah!“, machte sie nur.
Zu seiner Überraschung merkte Hassan, dass er tatsächlich meinte, was er gesagt hatte. Seufzend musste er sich eingestehen, dass zum ersten Mal in seinem Leben etwas mit ihm passierte, worauf er keinen Einfluss hatte. Er griff nach seiner blutigen Kleidung, um sich wieder anzuziehen.
Trotz ihrer Verachtung war unübersehbar, dass Talia den Blick nicht von seinem nackten Oberkörper lösen konnte. Hassan wurde davon so heiß, dass er für einen Augenblick die nächtliche Kälte vergaß. Während sie ihn mit ihren Blicken buchstäblich streichelte, zog er langsam wieder seine Kleider an.
Zufrieden stellte er fest, dass ihre Gefühle, egal ob freudig oder ablehnend, echt waren. Und nicht nur das, offenbar war sie von ihnen ebenso überwältigt wie er selbst. Auch wenn ihr Verstand Nein sagte, im Grunde ihres Herzens sehnte sie sich nach seiner Nähe. Sie fraß ihn mit ihren Blicken regelrecht auf – sie war verrückt nach ihm!
Erst als er sich angezogen hatte, dachte er daran, die Heizung anzustellen. Zum Glück funktionierte sie noch. Lächelnd sah er Talia an, aber sie runzelte missbilligend die Stirn.
„ Jetzt schalten Sie die Heizung an! Sie wollten wohl wissen, wie lange es dauert, bis Sie völlig unterkühlt sind. Oder haben Sie gehofft, ich würde Sie wärmen?“
„Aneinandergeschmiegt hält man sich am besten warm“, erwiderte Hassan. Bei der Vorstellung verspürte er ein angenehmes Prickeln. „Aber jetzt haben Sie mich in die Enge getrieben. Nun muss ich zugeben, dass ich entweder ein unaufmerksamer Mann oder ein schlechter Offizier bin. An die Bordheizung habe ich überhaupt nicht gedacht. Als Entschuldigung kann ich nur vorbringen, dass ich voll und ganz in Ihren Bann geschlagen bin …“
„Da bin ich anderer Ansicht! Sie haben nicht daran gedacht, weil Sie kaltblütig sind wie alle Ihrer Gattung: der Schlangen!“
Hassan lachte – trotz seiner schmerzenden Wunde. „Wie einfallsreich Ihre Beleidigungen sind! So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich kann gar nicht genug davon bekommen.“
Sie sah ihn missbilligend an. „Anscheinend bin ich für Sie so etwas wie ein erfrischendes Säurebad – nachdem Sie es offensichtlich gewohnt sind, in einfältigen Komplimenten zu baden, Sie verwöhnter, abgestumpfter Despot!“
Wieder lachte Hassan, wobei er sich die schmerzende Seite hielt. „Köstlich! Sie sind wirklich unglaublich! Regelrecht inspirierend. Eine Wildkatze, die sich vor nichts fürchtet, ya nadda jannati .“
„Sagen Sie das nicht noch einmal!“
„Talia …“
Ärgerlich schlug sie mit der Faust auf ihren Oberschenkel. „Und nennen Sie mich nicht Talia! Für Sie bin ich T. J. – nein, Dr. Burke. Nein! Gar nichts bin ich für Sie. Sprechen Sie mich nicht wieder an!“
Mehrmals wiederholte Hassan beharrlich ihren Namen – bis sie ihm über den Mund fuhr.
„Ich nehme alles zurück, was ich zu Ihnen gesagt habe. Sie sind nicht mein Monqethi oder Buttuli. Sie sind nichts weiter als ein Angehöriger eines diktatorischen Clans, selbstsüchtig und kriminell … Oder sind
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