Oase der Versuchung
rette, der ist bei mir in Sicherheit. Was auch immer Ihr Auftrag ist, ich garantiere, dass Ihnen nichts geschieht.“
Nach kurzem Nachdenken fuhr er fort: „Auch wenn Sie sich vorhin darüber lustig gemacht haben: Es war ein Geschenk des Schicksals, dass wir uns begegnet sind. Wenn Sie Ihre Vorurteile mal einen Moment vergessen, müssen Sie doch zugeben, dass unsere Gefühle füreinander sehr tief sind. Auf Anhieb haben wir uns gegenseitig als das erkannt, was wir wirklich sind – ohne Rücksicht auf Ihre und meine Lebensgeschichte und unabhängig von den Umständen. Bitte schauen Sie hinter das, was Sie vordergründig über mich zu wissen glauben. Sie sind doch Ärztin und wissen, dass Menschen in Notsituationen ihr wahres Ich zeigen. Mich haben Sie in Todesgefahr gesehen. Und außerdem wissen Sie, wie ich auf Ihre Provokationen reagiere.“
Wortlos sah sie ihn an. Dann schüttelte sie, erstaunt lächelnd, den Kopf. Schließlich versetzte sie: „Sie wären doch ein guter Diplomat geworden. Sie verstricken Ihr Gegenüber in ein Netz von Schmeicheleien. Aber bei mir zieht das nicht. Also lassen Sie es!“
Talia schien es, als unterdrückte er mühsam ein Lächeln. Er seufzte wie ein Mann, der sich wohl oder übel mit etwas abfinden muss, und sah sie mit seinen strahlenden Augen an. „Sie glauben, Sie haben einen Grund, uns zu hassen. Welchen denn? Sagen Sie es mir doch.“
„Gar nichts sage ich Ihnen. Sie sind auch nicht besser als meine Entführer! Eher noch schlimmer. Die Kidnapper und ich waren nur zufällig Gegner, weil ich etwas weiß, was ihnen im Kampf gegen ihre Erbfeinde nützlich ist. Aber gegen Ihre Familie habe ich etwas! Fangen Sie jetzt nicht damit an, dass Sie angeschossen wurden, als Sie mir geholfen haben. Inzwischen habe ich eines begriffen: Sie wollen auch nichts anderes als die Entführer. Und darum sage ich Ihnen auch dasselbe: Lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!“
„Bilden Sie sich Ihre Meinung immer so einfach, Talia? Ohne nach den Ursachen zu fragen? Wie stellen Sie Ihre Diagnosen? Indem Sie nur ein paar wenige auffällige Symptome herausgreifen?“
Sie biss die Zähne zusammen und widerstand so dem Impuls, ihn wieder zu schlagen. Nie war er um eine Antwort verlegen! Wie sehr sie ihn auch herausforderte, er machte keinen Fehler … „Kommen Sie mir jetzt nicht mit Vergleichen aus der Berufswelt!“, entgegnete sie. „Was wissen Sie schon über mich?“
„Nichts über Ihre Lebenssituation, aber viel über Ihr Wesen. Auch ich habe gesehen, wie Sie sich in Notlagen verhalten. Sie sind tapfer und mutig, überlegt und souverän, stark und leidenschaftlich. Halbe Sachen liegen Ihnen nicht. Und Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Darum bitte ich Sie: Geben Sie mir die Chance, mich und meine Familie zu verteidigen. Bitte, Talia, sagen Sie mir, was Sie gegen uns haben.“
Ohne dass sie es verhindern konnte, spürte sie, wie diese Worte sie tief im Herzen berührten. Wieso hatte er so großen Einfluss auf sie? „Ich habe gesagt, Sie sollen mich nicht so nennen! Aber es ist ja sinnlos mit Ihnen. Sie wissen auf alles eine Entgegnung. Also, dann nennen Sie mich eben T. J. Das tun alle.“
Nun unterdrückte er sein Lächeln nicht mehr. „Alle? Für mich kommt das nicht infrage. T. J. wird Ihrer Schönheit nicht im Mindesten gerecht. Es klingt so … neutral! Ich werde Sie Talia nennen. Oder nadda jannati. Damit werden Sie leben müssen. Wirst du leben müssen.“
Sie stieß einen leisen Schrei aus. „Jetzt hören Sie doch endlich auf, mich auf diese altmodisch-charmante Art zu behandeln. Bei mir funktioniert das nicht. Im Gegenteil, es macht mich ganz krank. Ich hätte gute Lust, meine Fäuste einzusetzen – wie meine Entführer.“
Entsetzt fragte er: „Haben sie dich etwa geschlagen?“
Unbewusst drückte sie die Hände gegen den Bauch. Bisher hatten andere Eindrücke die leichten Schmerzen überlagert. „Ja, ein paar von ihnen, aber nicht als Teil der Befragung, sondern einfach nur so zum Spaß. Weil ich kleiner war als sie. Doch anscheinend gehörte es zu ihrem Auftrag, mir nicht ernsthaft zu schaden. Einer wollte mich wohl einschüchtern und sagte, dass es jedem so ergeht, der sich in die Angelegenheiten Zohayds einmischt.“
Hassan knirschte hörbar mit den Zähnen. „Jetzt wünschte ich, ich hätte statt Betäubungspfeilen scharfe Munition verwendet!“
„Nun hören Sie aber auf, den Rächer zu spielen! Das kann Ihnen doch gleich sein.“
„Ich spiele
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