Oase der Versuchung
hätten wir dieses Problem nicht.“
„In diesem Fall wärst du bestimmt die attraktivste Zyklopin der Welt, der Traum aller Männer.“
„Beim Flirten scheust du wohl auch vor weit hergeholten Komplimenten nicht zurück, oder?“, fragte sie und lachte.
„Du hast recht. Ich hätte bei der Wahrheit bleiben sollen: der Traum dieses Mannes. Das allerdings bist du auch mit zwei Augen. Süß und sexy.“
„Ich wette, das würdest du nicht sagen, wenn du mich so sehen würdest: in blutbefleckter OP-Kleidung mit meinen kurzen Haaren. Ja, du hörst richtig. Ich trage die Haare immer so, damit sie mir nicht im Weg sind. Stört dich das?“
„Na, hör mal! Du redest mit dem Mann, der dich schon umwerfend attraktiv fand, als du noch einen Bart getragen hast. Du würdest mich noch umhauen, wenn du von oben bis unten voller Schlamm wärst … Oh, gar keine so schlechte Idee.“
„Schlammcatchen? Was für eine typisch männliche Fantasie!“
„Normalerweise interessiert mich so etwas nicht. Aber mit uns beiden wäre das etwas anderes.“ Als sie sich zu ihm umdrehte und etwas erwidern wollte, pfiff er leise. „Wow! Ich glaube, ich nenne den Stern ‚Talias Blick‘.“
„Kommt er dir so kalt vor?“
„Natürlich nicht! Dein Blick und der Stern sind faszinierend, geheimnisvoll und unbezwingbar.“
Beinahe hätte sie ihn geküsst – auf die Lippen oder das Wangengrübchen, das sich nur bildete, wenn er lachte. Stattdessen sah sie ihn so selbstbewusst wie möglich an. „Du solltest wissen, dass ich mit diesem Blick in der Notaufnahme alle auf Trab halte.“
„Das kann ich mir lebhaft vorstellen“, sagte er und zog sie fester an sich. „Könntest du dir vorstellen, das auch hier zu machen?“
Talias Herz schlug höher. Sie versuchte, sich in seinen Armen umzudrehen, und schaffte es immerhin, seitlich auf ihm zu liegen, um ihm besser in die Augen zu sehen. „Du meinst, in einer Notaufnahme in Zohayd zu arbeiten?“
„Fast. Ich frage mich, ob du vielleicht meine Männer – und Frauen – in Notfallmedizin ausbilden würdest.“
„Oh …“ Talia überlegte kurz. Nachdem alles überstanden war, in Zohayd bleiben? So sehr schätzte er sie und ihre Arbeit, dass er ihr das anbot? Eine so verantwortungsvolle Aufgabe wollte er ihr übertragen? Dann würde sie ihn ja regelmäßig sehen … Wie schön!
„Das klingt gut“, antwortete sie, ohne weiter nachzudenken. Erst als sie das Leuchten in seinen Augen sah, kam sie ins Zögern. „Ich meine, wir sollten … Also, wenn das hier vorbei ist … Ob überhaupt etwas daraus wird? Wenn man bedenkt, warum ich hergekommen bin und alles … – Hast du Frauen gesagt? In deinen Spezialtruppen gibt es Frauen?“
Einen Augenblick wirkte er ungeduldig, vermutlich weil sie ihm durch diesen Themenwechsel eine Antwort schuldig geblieben war. Doch sogleich entspannte er sich wieder. Schließlich war ihre Lage schon schwierig genug. „Noch nicht viele, aber immerhin.“
„Hätte ich nicht gedacht …“
„So fortschrittlich sind die Einheiten des verwöhnten, abgestumpften Despoten …“
Sie lächelte. „Das wirst du mir ewig vorwerfen, oder?“
„Willst du, dass ich damit aufhöre?“
Sie überlegte kurz. „Nö.“
Dann schwiegen sie und kuschelten sich in stiller Übereinkunft aneinander. Nach einer Stunde, in der die Erregung nicht nachgelassen hatte, brachen sie auf.
Der dritte Tag kam. Und ging vorüber.
Am Ende des vierten Tages hatten sie keinerlei Lebensmittel mehr. Und von der Oase war weit und breit nichts zu sehen.
Am fünften Tag, nach Sonnenuntergang, hatte Hassan etwas getan, was Talia ihre verzweifelte Situation voll zu Bewusstsein brachte: Er hatte ihre Ausrüstung fallen lassen.
Als sie protestierte, sah er sie lange nur an. Dann erklärte er ihr, dass er wusste, was er tat. Dass er das Marschtempo anziehen musste, wenn sie die Oase erreichen wollten. Und dass sie ihm vertrauen sollte.
Sie vertraute ihm. Aber die Oase hatten sie nicht erreicht.
Zehn Stunden später konnte Talia nicht mehr.
Sie brach zusammen. Hassan konnte sie gerade noch auffangen. Sanft legte er sie auf den Boden, hielt sie fest in seinen Armen, küsste sie immer wieder und bat um Verzeihung.
Als sie das Bewusstsein verlor, dachte sie, alles wäre aus. Aber sie kam wieder zu sich und stellte fest, dass sie in die beiden letzten Decken eingewickelt und mit Hassans Jacke zugedeckt war. Sie hatte unendlichen Durst und konnte die gleißende Mittagssonne kaum noch
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