Oase der Versuchung
medizinischen Mittel.
Mit den Männern, die bei ihm blieben, sorgte er dafür, dass Talia sicher vor ihm auf dem Pferd saß. Dann legte er die Arme um sie wie in ihren Ruhepausen.
Der Weg zurück war lang. Qualvoll zog er sich dahin, und Hassan erlebte im Geiste noch einmal, wie er Talia hatte zurücklassen müssen. Vor lauter Angst um sie hätte er sich fast verlaufen. Ständig hatte er an sie denken müssen, wie sie, in ihre Decken gehüllt, am Fuße einer Düne lag. Ihm war völlig klar gewesen, dass, wenn auf die kalte Wüstennacht die Gluthitze des Tages folgte, Talia die Decken mehr schaden als nützen würden.
Hoffentlich würde sie seine Botschaft im Sand sehen, bevor der Wind sie verwehte! Und hoffentlich hatte sie gehört, was er ihr eingeschärft hatte: nämlich sobald wie möglich aufzuwachen und die Decken zusammen mit einer bereitgelegten Zeltstange als Sonnenschutz zu benutzen.
Doch die Nachricht, die er in den Sand geschrieben hatte, war ausgelöscht worden, und Talia hatte ihn offenbar nicht gehört. Denn sie hatte sich zwar aus den Decken befreit, aber keinen Schutz vor der Hitze gesucht.
Angesicht der fast übermenschlichen Anstrengungen der letzten fünf Tage war es fast schon ein Wunder, dass sie diese Extremsituation heil überstanden hatte!
Auf dem Pferd zog er sie fester an sich. Wenn er daran dachte, wie sie mutterseelenallein aufgewacht sein musste! Sein Herz krampfte sich zusammen. Sie hatte ja nicht wissen können, dass er nur gegangen war, um ihr zu helfen.
Das Problem war, dass ihm bei seinen Berechnungen Fehler unterlaufen waren. Zum einen hatte sich das Gelände seit dem letzten Mal verändert, zum anderen hatte er aus – begründeter – Furcht von den Treibsandgebieten einen zu weiten Umweg gewählt.
Außerdem hatte er sich zu spät von der Ausrüstung getrennt, nämlich als er schon viel zu abgekämpft gewesen war, um noch wirklich schnell voranzukommen.
Als er endlich vollkommen entkräftet die Außenbezirke der Oase erreicht hatte, waren sofort hilfsbereite Menschen mit Wasser auf ihn zugerannt. Ihnen stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Das machte ihm klar, wie heruntergekommen er aussehen musste. Dazu noch die blutende Wunde, die die Menschen noch mehr erschreckt hatte. Denn bei seinem aberwitzigen Lauf hierher waren Talias sorgfältig geschlossene Nähte wieder aufgeplatzt.
Er hatte sich von den hilfsbereiten Oasenbewohnern neu verbinden und mit der ortsüblichen praktischen Kleidung versorgen lassen, die gut vor der Sonne schützte. Nachdem er genug getrunken hatte, um einigermaßen erfrischt zu Talia zurückzukehren, hatte er sich das ausdauerndste Pferd der Oase geben lassen, einen herrlichen Schimmel.
All das hatte keine Stunde gedauert, und schon hatte er zusammen mit den besten Reitern die Oase wieder verlassen.
Die Männer hatten Mühe gehabt, sein Tempo zu halten. Und dennoch war es ihm wie eine Ewigkeit erschienen, bis sie Talia endlich erreicht hatten.
Er seufzte. Selbst im Angesicht des Todes hatte sie die Fassung bewahrt und ihren Sinn für Humor nicht verloren. Lächelnd dachte er an ihre Worte: Überhaupt bist du das Wunderbarste in meinem Leben.
Wieder zog er sie enger an sich, wie um sie nie wieder loszulassen. Ein ganzes Leben lang wollte er sie beschützen, mit allem, was er hatte. Selbst wenn sie den Satz vielleicht nur unter dem Eindruck ihrer Rettung gesagt haben sollte, so hatte er ihn doch um Talias selbst willen wiederholt …
Nach einer weiteren schier endlosen Stunde brachte er den Schimmel vor einer kleinen Hütte, die für sie beide hergerichtet worden war, zum Stehen. Während er abstieg, stützten seine Helfer Talia. Aber sobald er auf dem Boden stand, zog er sie wieder an sich und trug sie hinein.
Im Inneren nahm er vor Anspannung kaum Einzelheiten wahr. Zwischendurch gelang es ihm immer wieder, Talia aus der Bewusstlosigkeit zu holen und sie zum Trinken zu überreden – abwechselnd reichte er ihr Wasser und einen kräftigenden Trank nach einem bewährten Oasenrezept. Während er ihr unablässig leise zuredete, zog er sie vorsichtig aus – auch die Männerunterwäsche –, und badete sie in kühlem Wasser. Danach fächelte er sie trocken und kühlte ihre Stirn.
Als sich ihre Körpertemperatur normalisiert hatte, zog er ihr eines der blitzsauberen bunten Nachthemden an, die die Frauen der Oase freundlicherweise bereitgelegt hatten.
Talia ergab sich seiner Fürsorge, selbstverständlich und ohne zu fragen. Aber noch
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