Oase der Versuchung
Beste?“, fragte sie augenzwinkernd.
„Daran liegt es weniger. Die Oasenbewohner helfen jedem, der darauf angewiesen ist. Es ist ein Glück, dass sie so gastfreundlich und hilfsbereit sind. Und als ihren Prinzen betrachten sie mich eigentlich nicht. Sie leben hier in einer Art Niemandsland, und ihre Unabhängigkeit wird überall respektiert. Auch wenn die Bevölkerung nur aus etwa dreißigtausend Menschen besteht, sind sie doch so etwas wie ein eigenes Volk, das nach seinen alten Traditionen lebt.“
Talia überlegte. „Aber nur so lange, bis dem irgendwelche Eindringlinge ein Ende bereiten …“
„Das wird nicht passieren“, sagte Hassan entschieden. „Nicht solange die Aal Shalaans regieren!“
Genau so hatte auch sie ihn kennengelernt: als Ritter und Beschützer …
„Wie wäre es, wenn du mich im Land der Lebenden willkommen heißt?“, fragte sie und streckte ihm die Arme entgegen.
Beinahe leidend sah er sie an, und Talia fürchtete schon, er würde nicht auf ihre einladende Geste eingehen. Doch dann seufzte er und sank förmlich in ihre Arme.
Im Bewusstsein, dem Tode entronnen zu sein, kostete sie seine Nähe mit allen Sinnen aus. Ihr war, als hätte sie eine zweite Chance bekommen. Beinahe hätte sie ihn – und auch alles andere – verloren … Mit zitternden Fingern streichelte sie seinen Rücken und die Arme, streichelte sie Hassan , wie um sich jede Einzelheit einzuprägen.
Als sie ihm über das Gesicht strich, fiel ihr plötzlich auf, was sie schon vorher unterbewusst wahrgenommen hatte. „Du hast dich rasiert.“
Lächelnd genoss er ihre zarten Küsse auf der glatten Haut. „Ja, endlich. Es war das Erste, was ich hier gemacht habe.“
Zärtlich küsste sie ihm das Kinn. „Weißt du, dass ich dich vorher noch nie rasiert gesehen habe?“
Mit dem Kinn strich er über ihre Wange. „Und? Gefällt es dir?“
„Und wie!“
Vorsichtig berührte sie seine Lippen mit ihren und begann, mit der Zungenspitze zart daran zu lecken. Dabei konnte sie ihr Glück kaum fassen. Wie gut er schmeckte!
Da hörte sie ihn tief seufzen, und voller Leidenschaft erwiderte er den Kuss. Aber schon im nächsten Moment löste er sich aus der Umarmung und zog sich zurück.
Talia hatte weder die Kraft noch, wie sie fand, das Recht, ihn daran zu hindern. Als er jetzt neben dem Bett stand, konnte Talia zum ersten Mal seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.
Er strich sich durchs Haar und atmete tief aus. „Ich finde, du musst dich noch schonen. Und dann müssen wir erst einmal sehen, dass du wieder auf die Beine kommst.“
Ob das wirklich der Grund war? Wollte er tatsächlich, dass sie völlig gesund war, bevor sie diesen wichtigen Schritt aufeinander zu machten? An sich eine ganz vernünftige Ansicht, für die Talia ihm regelrecht dankbar war. Denn in ihrer Gefühlswelt ging es momentan drunter und drüber.
Erst musste sie herausfinden, warum sie Hassan so unwiderstehlich fand: Lag es daran, dass es so viel Spaß machte, sich mit ihm zu unterhalten? Oder kam es von den gemeinsam verbrachten Tagen und Nächten und daher, dass sie so sehr aufeinander angewiesen gewesen waren? Oder bestand darüber hinaus eine tiefe innere Verbundenheit?
Jetzt, da die Gefahr vorüber war: Würde die Anziehungskraft fortbestehen? War Hassan noch derselbe Mann? Derjenige, der alles getan hatte, um sie beide zum Durchhalten zu motivieren?
Immerhin hatte er einleuchtende Gründe gehabt, seine Zuneigung zu ihr etwas zu … übertreiben. Schließlich hatten sie gemeinsam überleben müssen, und das nach einem eher schwierigen Anfang … Außerdem war es nach wie vor so, dass sie etwas wusste, was für ihn und seine Familie unschätzbar wertvoll war …
All das schwebte über ihnen wie eine Wolke, die die Sonne verdunkelt. Todd saß immer noch im Gefängnis, ohne dass Talia wusste, was genau die Aal Shalaans damit zu tun hatten. Und Hassan war und blieb nun einmal Zohayds Innenminister und Sicherheitschef.
Unter all diesen Gesichtspunkten war es nur gut, dass er sich zurückgezogen hatte. Talia würde tun, was er gesagt hatte, und vor allem dafür sorgen, dass sie schnell wieder fit wurde. Umso schneller würde sie auch Klarheit gewinnen. Über das, was in ihr und um sie herum vorging. Über ihn und über sie beide.
Falls das überhaupt je möglich war …
9. KAPITEL
Talia erschrak, als sie die Gewehrschüsse hörte.
Vermutlich hätte sie instinktiv Deckung gesucht, wäre Hassans Arm nicht auf ihrer Schulter gelegen.
„Keine
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