Oase der Versuchung
Angst, dir passiert nichts.“
Ein wenig unsicher ging sie weiter mit ihm durch die Menschenmenge. Noch immer wusste sie nicht, wo das Fest stattfand.
„Es ist nur ein Salut zur Eröffnung der Feierlichkeiten“, erklärte Hassan. „Hast du die letzten Schüsse gehört? Die wurden dir zu Ehren abgegeben, weil du so schnell gesund geworden bist.“
Talia lächelte erwartungsvoll. Aber am meisten freute sie sich darüber, mit ihm zusammen zu sein.
Vor drei Tagen war sie aufgestanden. Seitdem fühlte sie sich vollständig erholt. Zu ihrer großen Erleichterung war auch Hassans Wunde gut verheilt. Nur eine der Nähte war aufgegangen, sodass nur ein paar kleinere Stiche notwendig gewesen waren.
Überhaupt hatte sie solche Selbstheilungskräfte noch nie bei einem Menschen erlebt. Daraufhin hatte sie ihn gefragt, ob er vielleicht göttliche Vorfahren hatte – völlig abwegig erschien ihr das nicht …
Während der Rekonvaleszenzzeit waren sie in der Hütte und ihrem kleinen Garten geblieben, gut versorgt von den Oasenbewohnern.
Talia hatte nicht den Wunsch verspürt, mehr zu erleben. Hassan hatte ihr genügt.
Inzwischen wusste sie, dass der Grund für die Harmonie zwischen ihnen nicht nur in der gemeinsam überstandenen Gefahr lag. Natürlich spielte es auch eine Rolle, dass sie Einsamkeit und Verzweiflung geteilt hatten, aber darüber hinaus existierte eine tiefe seelische Übereinstimmung. Im Innersten hatten sie einander erwählt, als wären sie füreinander geschaffen. Und in einem immerwährenden Kreislauf flossen Zuneigung und Sympathie von einem zum anderen.
Mit ihm zusammen zu sein, bedeutete ihr alles.
An diesem Abend gingen sie zum ersten Mal unter Menschen. Talia war den Oasenbewohnern unendlich dankbar für ihre Hilfe. Gleichzeitig machte sie so viel selbstlose Gastfreundlichkeit auch etwas verlegen …
Frau und Töchter des Ältesten hatten ihr für das Fest ein aufwendig verziertes Kleid gebracht. Hassan hatte alles übersetzt: die Freude der Frauen, dass Talia wieder ganz gesund war. Und Talias Freude über das wunderschöne Kleid.
Dabei hatten ihn die Frauen mehr oder weniger unverhohlen bewundert.
Als sie dann Talia mit einer Spur von Neid ansahen, war ihr schnell klar, was sie denken mussten: dass sie und Hassan ein … Verhältnis hatten.
Und schließlich lag es ja eigentlich nur an Hassans Zurückhaltung, dass dem nicht so war.
Daraufhin hatte sie ihn offen angesprochen. Ob ihn, den Prinzen, die Situation kompromittierte. Und ob sie sich lieber eine andere Bleibe suchen sollte.
Aber Hassan hatte sie beruhigt. Seiner Ansicht nach folgte das Leben in der Oase eigenen Regeln. Die Menschen richteten sich in erster Linie nach der Natur und bewerteten nicht das Tun und Lassen anderer. Und selbst wenn: Ihm, Hassan, wäre das sowieso egal. Für ihn zählte nur, was sie wollte. – Und wollte sie ausziehen?
Wenn Talia an das Gespräch dachte, klopfte ihr das Herz bis zum Hals. Hassan hatte sich sehr verständnisvoll gezeigt, und dadurch hatte sie erkannt, dass sie bleiben wollte. Und das tat sie auch. Insgeheim graute ihr schon vor dem Tag, an dem sich ihre Wege trennen würden. Sie konnte und wollte sich nicht vorstellen, wie sie sich ohne ihn fühlen würde. Dazu würde ihr noch ein Leben lang Zeit bleiben …
Sie hörte ihr Herz pochen und ein rhythmisches Geräusch … Sie blickte in die Richtung, aus der es kam.
Im Schein vieler Feuer und dem Licht des zunehmenden Mondes sah sie ein größeres, eingeschossiges Gebäude auf einem freien Platz. Es war in der ortsüblichen Bauweise aus Ziegelsteinen errichtet und bot mehr als tausend Menschen Platz. Neben der Eingangstür saßen Frauen in langen Gewändern auf dem Boden, die große Stößel in Holzgefäße stießen.
Lächelnd erklärte Hassan: „ Mihbajs werden als Rhythmusinstrumente benutzt, aber auch zum Zerkleinern von Nahrung oder von Kaffeebohnen …“ In diesem Augenblick drang lautes Trommeln aus dem Gebäudeinneren. „Komm“, flüsterte Hassan Talia ins Ohr. „Die Musikanten sind schon da.“
Als sie das Haus betraten, fühlte sich Talia wie in ein Märchenland versetzt. Der alte Orient, wie sie ihn aus Filmen und Büchern kannte – hier hatte er die Zeiten überstanden.
Die reiche Ausstattung in warmen dunklen Farben verschlug Talia fast den Atem. Alles wirkte mystisch und geheimnisvoll. Durch den Raum zog der betörend schwere Duft köstlicher Räucheressenzen.
Viele der Gäste rauchten den unverwechselbaren, mit
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