Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
Vom Netzwerk:
daß wir Mrs. Nuttall versicherten, sie werde in absehbarer Zeit wieder fähig sein, allein aus dem Haus zu gehen, frei von der Furcht, die sie beim Überqueren einer Straße jedesmal befiel; daß wir Mr. Callard geholfen hatten, die richtige Einstellung zu einer zufriedenstellenden heterosexuellen Beziehung zu finden; und daß alle drei uns von Herzen dankbar gewesen waren. Ich hätte zuerst mit Toby über die Sache sprechen müssen, ehe ich mich qualifiziert fühlte, mich in eine Diskussion darüber mit Fred einzulassen.
    »Wir hatten einen Süchtigen«, sagte ich in der Annahme, das könnte ihn interessieren.
    Wie gewöhnlich wußte Fred, was in der Welt vor sich ging. »Holt er sich das Zeug in Dagenham, Muswell Hill oder Piccadilly?« fragte er.
    »In Muswell Hill. Er wünschte Tiefschlaf.«
    »Reine Zeitverschwendung, Mann. Nicht nur Vergeudung Ihrer Zeit, sondern auch der knappen Mittel von Tantchen Gesundheitsdienst. Heroin?« fragte er.
    Ich nickte. Auch ich verstand jetzt diese Sprache.
    »Pulver oder Injektionen?«
    »Pulver.«
    »Dann ist es nicht Muswell Hill, Mann. Heroinpulver - dies zu Ihrer Information - gibt es nur aus verbotenen Quellen. Nicht in Muswell Hill, Mann.«
    Ich fragte mich, ob es etwas gab, das er nicht wußte. Es gab etwas.
    Lulu kam herein und sagte, daß das Baby von Mrs. Smith Blähungen habe.
    Ich sah Fred fragend an.
    »Trinkt offenbar zu langsam«, sagte er nachdenklich. »Sagen Sie ihr, sie soll in den Schnuller ein größeres Saugloch bohren.«
    »Das Baby«, sagte ich und revanchierte mich damit ein bißchen für die Vorlesung über Baudelaire, Dickens & Co., »wird normalerweise durch die Mutter ernährt. Sagen Sie Mrs. Smith, sie soll gegen sechs mit dem Kind herkommen, ich will mit ihr sprechen.«
    Lulu ließ den Kranz ihrer Wimpern über die Saphiraugen fallen und ging mit gerührter Miene aus dem Zimmer, wie meistens, wenn es um ein Baby ging und sie dadurch an ihren Wunsch nach einem eigenen Kind erinnert wurde.
    Ich blickte fragend zu Fred hinüber, der sie ebenfalls beobachtet hatte.
    »Sie hält fälschlicherweise den Wunsch nach Fruchtbarkeit für einen Wunsch nach Mutterschaft. Sie wäre hoffnungslos als Mutter«, sagte Fred.
    »Fred«, sagte ich, »Sie sind mir ein Rätsel...«
    »Schade um Ihre Zeit, Mann.« Er warf die leere Lakritzenschachtel auf den Kaminrost; er hatte es geschafft, einschließlich der Wurm-Bonbons. »Versuchen Sie es noch mal, wenn Sie ein paar Sitzungen in Ihrer kleinen Zelle hinter sich haben werden. Sie werden erfüllt davon sein, Mann; Freud, Jung, Adler, ganz zu schweigen von Melanie Klein und Fromm. Ihnen werden die Super-Egos und Idioten meilenweit zum Hals heraushängen, Mann, und auch Geschlechtsneid, Paranoia und Pawlow werden Sie schon früh nicht mehr hören können. Trotzdem werden Sie auch dann noch nichts vom Menschen verstehen, Mann. Sie werden überhaupt nichts von ihm verstehen.«
    Fred ging heim, um für die Nachmittagssprechstunde ein anderes buntes Hemd anzuziehen; er hielt niemals zwei aufeinanderfolgende Sprechstunden in dem gleichen Hemd. Ich dachte nach über die neue Generation, die die Welt hervorgebracht hatte. Der Altersunterschied zwischen Fred und mir war nicht einmal so groß, aber was Erkenntnisse und Wertvorstellungen betraf, so schienen Jahrhunderte zwischen uns zu liegen. Seine Generation schien außergewöhnlich vielseitig interessiert zu sein. Vielleicht lag das an den Kommunikationsmöglichkeiten und der Tatsache, daß die Welt als Folge davon kleiner geworden war. Er wußte, was sich tat, und das nicht nur in seiner direkten Umwelt. Er wußte Bescheid, und - was noch wichtiger war - er machte sich genauso Gedanken über Vietnam wie über legalisierten Rauschgiftgenuß und Abtreibung. Er wußte darum und fragte sich nach den Ansichten der schweigenden Mehrheit und deren politischer Aktivität, er verteidigte die Existenz der Hippies als einen zum normalen Leben gehörenden Teil.
    Wenn er nichts weiter getan hätte, als mich nachdenklich zu stimmen! Aber er hatte auch Sylvia und die Kinder beeinflußt. Peter weigerte sich kurzerhand, sich die Haare schneiden zu lassen, und erklärte, er werde sie wachsen lassen wie Fred, und Penny hatte kürzlich beim Frühstück verlangt: »Gib mal die Cornflakes ’rüber, Mann!«
    Ich hatte Sylvia versprochen, an diesem Abend, während es noch hell war, unser neues Haus mit ihr zu besichtigen. Nicht, daß es wirklich unser Haus gewesen wäre, es handelte sich lediglich

Weitere Kostenlose Bücher