Ob das wohl gutgeht...
Wochen an mir vorüberziehen sollte. Patienten, die Depressionen hatten, ohne die Ursache zu wissen. Patienten, die Angstzustände hatten, aber nicht wußten, wovor sie Angst hatten oder warum sie so verängstigt waren. Ich bekam konkrete Beispiele dafür zu sehen, wie Furcht eine nagende, schleichende Panik bei dem Leidenden auslöste, weil er unfähig war, irgendeinen Anlaß dafür zu finden. Sie klagten, sie fänden keinen Schlaf, hätten entsetzliche Träume, aus denen sie erschöpft, schwitzend und zitternd erwachten. Sie berichteten von Angstanfällen, bei denen sie ein Gefühl des Erstickens hatten oder erwürgt zu werden glaubten. Sie berichteten von der Gewißheit, bald sterben zu müssen. Viele waren depressiv, für sie waren Empfindungen der Trauer charakteristisch, ihre körperlichen und geistigen Leistungen waren vermindert, sie empfanden sich von der Außenwelt ausgestoßen. Ihr Gesichtsausdruck zeigte Trauer und Leiden, sie waren — so erzählten sie -appetitlos, verloren an Gewicht, litten unter Schlaflosigkeit und hatten schwermütige Vorahnungen. Sie hatten die Fähigkeit verloren, sich um sich selbst oder diejenigen, die sie liebten, zu kümmern.
Viele von ihnen waren in tiefer Verzweiflung und sprachen von Selbstmord, wenn sie ihn nicht schon versucht hatten.
Nachdem ich gesehen hatte, welche Hilfe jenen Verzweifelten die kurze Aussprache mit Toby bedeutete, schämte ich mich meiner früheren leichtfertigen Haltung. Hier waren Menschen, die dringend Hilfe brauchten.
Unser letzter Patient hätte Fred sein können. Er bevorzugte langes Haar und kräftige Farben, war aber, im Gegensatz zu Fred, ungepflegt.
Was mich betrifft, so hätte das Gespräch ebensogut in Chinesisch stattfinden können, aber Toby hatte nicht die geringsten Verständigungsschwierigkeiten. Der junge Mann - ich nahm wenigstens an, daß es einer war - verlangte nach »Tiefschlaf«. Er sprach von Flippen und Trip, er kannte die »Hauptstrecke«, nachdem er vom »Schuß-unter-die-Haut« promoviert war, und fragte Toby, ob er schon einmal einen Summer gehabt habe. Ich hatte bereits ein leichtes Summen im Kopf, während ich mich zu verstehen bemühte, was er meinte und worüber er eigentlich sprach, und fragte mich ernstlich, ob mir nicht irgend etwas Entscheidendes während meiner Ausbildung vorenthalten worden war.
Als er hinaus war und nachdem er, wie sie alle es taten, sich Toby ganz und gar anvertraut hatte, legte Toby die Feder hin und sagte:
»Es wird leider schlimmer und schlimmer mit ihm.«
»Sehr richtig.«
»Wir tun, was wir können. Es ist nicht leicht.«
Plötzlich dämmerte es mir. »Rauschgift?« fragte ich.
Toby sah mich grübelnd an.
»Kommst du nächste Woche?«
Ich nickte.
»Am Dienstag ist eine Diskussion. Verschiedene Aspekte der Psychotherapie. Du bist herzlich dazu eingeladen.«
»Ich will es versuchen.«
Er drückte mir ein Papier in die Hand. »Ich hoffe, daß das öl geliefert worden ist. Betty wird mächtig zu tun haben. Ich vergesse es immer. Muß mich beeilen.«
Er verschwand, und ich ging langsam hinter den Patienten weg, für die keine Zeit mehr gewesen war und die bald nach Hause gehen würden. Sie sahen mich mit leeren Blicken an. Die Schwester und die Helferinnen ignorierten mich.
Der Nachmittag war teuer gewesen. Taxi von und zum Parkplatz, Parkgebühr für drei Stunden, ein Pfund verliehen, von dem ich befürchtete, es für die Silberhochzeit des Professors gegeben zu haben, ohne es wiederzusehen. Und etwas, das Toby gesagt hatte, ging mir nicht aus dem Kopf: »...manchmal heilen, oft Erleichterung verschaffen und immer trösten...«
Ich denke, daß es der interessanteste Nachmittag meines Lebens war.
5
»Sie nehmen Sie auf den Arm, Mann«, sagte Fred von seinem Platz auf dem Sofa im Wohnzimmer.
Ich sah ihn verständnislos an und wünschte, er würde meine bunte Lakritzenmischung nicht ganz aufessen, für die ich eine unkontrollierbare Leidenschaft hatte und die ich in einem Versteck verbarg, besonders vor den Zwillingen, die alles vertilgten, was sie nur fanden, gleichgültig, ob dein oder mein.
»Was meinen Sie mit >Sie nehmen Sie auf den Arm«
Er suchte nach einer runden schwarzen Lakritzenstange mit weißer Füllung, die ich besonders liebte.
»In dem Kasten. Ich würde nicht mehr mitmachen.«
»Wenn Sie damit die Abteilung für Psychiatrie meinen...«
»Sehr richtig, die Besessenen.«
»Es ist nicht etwa eine Art Zirkus. Wir beschäftigten uns vorwiegend mit
Weitere Kostenlose Bücher