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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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Mutter hat dir die Wahrheit gesagt, Jimmy«, sagte ich. »Ich weiß, daß es sehr schwer für dich ist, aber deine Mami hat nicht gelogen.«
    Das Geschrei wurde stärker. »Sie lügt! Sie lügt!« Er schluchzte tief. »Mein Papi ist nicht tot. Er ist nicht tot. Er ist nicht tot.«
    »Ich halte es nicht mehr aus«, schluchzte Mrs. Roberts. »Er hat mich den ganzen Tag als Lügnerin hingestellt. Er hat nicht gegessen und fast nur geschrien.«
    Ich sah mich im Zimmer um, dort stand die Modelleisenbahn, mit der, wie ich wußte, Kommodore Roberts genauso gern gespielt hatte wie sein Sohn; da waren die Bücher, die Spielsachen eines kleinen Jungen.
    »Mrs. Roberts«, sagte ich leise, »hat Jimmy seinen Vater gesehen?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Seit er gestorben ist.«
    Sie sah mich entsetzt an. »Natürlich nicht. Er ist doch erst sieben, Doktor!«
    »Ich weiß. Vielleicht wäre es aber das Vernünftigste. Er bezichtigt Sie der Lüge, weil er nicht wirklich glaubt, daß sein Vater tot ist. Er will es nicht glauben.«
    »Ich könnte es nicht tun.«
    »Ich werde es Ihnen abnehmen.«
    »Nein.«
    »Wir können ihn doch nicht so weitermachen lassen.«
    »Ich dachte, daß Sie ihm vielleicht ein Beruhigungsmittel...«
    »Das würde Jimmys Problem nicht wirklich lösen.«
    Sie überlegte.
    »Also«, sagte ich, »überlassen Sie Jimmy jetzt mir.« Ich ergriff die fest geschlossene kleine Faust. »Ich möchte, daß du mitkommst, Jimmy.«
    Noch immer schreiend, führte ich ihn in seines Vaters Schlafzimmer. An der Tür blieb ich stehen. Wie auf ein Kommando wurde er still. Ich führte ihn in das Zimmer hinein bis ans Bett, auf dem der Leichnam lag.
    Er wandte seine Augen nicht von ihm ab.
    »Daddy!« fragte er beinahe trotzig. »Daddy?«
    Er wartete auf eine Antwort, und als diese nicht kam, hob er sehr langsam die Hand empor und berührte das Gesicht seines Vaters. Und noch einmal sagte er »Daddy«, aber diesmal war es keine Frage.
    Totenstille lag über der düsteren Szene, es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis Jimmy seine Hand aus der meinen zog und hinauslief, die Treppe hinauf. Ich verließ das Zimmer und schloß leise die Tür. Draußen fand ich zu meiner großen Erleichterung den weinenden Jimmy in den Armen seiner Mutter. Große runde Tränen liefen über sein müdes kleines Gesicht. Er schmiegte sich an sie, als wollte er sie niemals wieder verlassen.
    »Er hat sich endlich beruhigt«, sagte Mrs. Roberts und trocknete seine und ihre Tränen.
    »Das ist jetzt in Ordnung. Es war die natürliche Reaktion eines Kindes. Geben Sie ihm ein wenig zu essen und bringen Sie ihn dann ins Bett. Lassen Sie ihn aber nicht allein.«
    »Vielen Dank, Doktor... ich wäre nie auf den Gedanken gekommen...«
    »Bitte«, sagte ich, »bleiben Sie hier bei Jimmy. Ich finde schon hinaus.«
    Im Wagen wurde mir klar, welche Befriedigung es für mich gewesen war, Jimmy Roberts’ Problem auf psychologischer Grundlage zu behandeln, und ich fragte mich, im Gedanken an meinen Fehler bei Mrs. Evans, ob ich nach den vielen Jahren der Tätigkeit .als praktischer Arzt vielleicht doch etwas müde geworden war.
    Doch ich kam zu dem Schluß, daß ich weniger des Berufs überdrüssig als vielmehr gleichgültig geworden war. Ich hatte zu oft erlebt, daß die Leute den Gesundheitsdienst um jeden Preis in Anspruch nahmen, daß Patienten Hausvisiten wünschten, obwohl sie gut in die Sprechstunde hätten kommen können, ich hatte genug von den »Weil-Sie-gerade-hier-sind«-Leuten, zu denen man gekommen war, um einen Patienten zu behandeln, aus dem schließlich vier wurden; ich hatte in zu viele Hälse geschaut, zu viele Hautausschläge begutachtet, zu viele Ohren ausgespült, ich war zu viele Treppen in den riesigen Wohnblocks hinaufgestiegen, hatte nach zu vielen nicht existierenden Hausnummern in der Dunkelheit suchen müssen; es gab zu viele Patienten, die an Wortdurchfall litten und niemals zur Sache kamen oder denen ich meine Instruktionen vier- oder fünfmal wiederholen mußte, bis sie endlich gingen; zu viele Leute, die packende Reader’s Digest-Artikel über »Wunderkuren« vorzeigten und beleidigt waren, wenn man sie nicht an ihnen ausprobieren wollte.
    Natürlich wußte ich, daß sich eigentlich nichts geändert hatte. Es gab gute und schlechte, rücksichtsvolle und rücksichtslose Patienten wie eh und je. Ihre Beschwerden waren nicht weniger und nicht mehr bedeutungsvoll als früher. Ich vermutete, daß es mit meiner zunehmenden Kenntnis der

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