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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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bisher. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das auch Ihren Nachbarn und den anderen Patienten sagen würden, die Ihnen bekannt sind.«
    »Sehr gern, Doktor.« Er sah betroffen aus. »Ich wollte Sie nicht kränken, nur...«
    »Ja, ich weiß, es gibt so ein Gerücht, aber es ist völlig falsch. Es wird alles so bleiben wie bisher.«
    Der Rest meiner Worte ging in dem entsetzlichen Getöse unter, das vom Obergeschoß kam, durchsetzt mit lautstarken Anweisungen der rüdesten Art. Ich durfte annehmen, daß die Möbelträger eingetroffen waren.
    Die erste Patientin, die sich wirklich freute, mich zu sehen und mich sehnsuchtsvoll an vergangene Zeiten denken ließ, war Maureen Grimshaw. Nun, Maureen Grimshaw, das war einmal, jetzt hieß sie Maureen Clarke. Sie war kurz nach der Eröffnung meiner Praxis seinerzeit eine meiner ersten Patientinnen gewesen, als sie Windpocken hatte und vier Jahre alt war. Ihr Vater saß damals im Gefängnis.
    Nun strahlte sie über das ganze Gesicht. »Oh, ich bin ja so froh, daß Sie hier sind«, sagte sie. »Ich wäre wieder gegangen, wenn Fred dagewesen wäre.«
    Ich empfand ein geheimes Triumphgefühl.
    »Nicht, daß mit Fred etwas nicht in Ordnung wäre«, beeilte sie sich hinzuzufügen. »Ich meine, er ist wirklich sehr nett, aber noch so jung, und Sie sind mir wie ein Vater...«
    Mein Triumphgefühl verflüchtigte sich.
    »...damit will ich sagen, daß ich mit etwas sehr Persönlichem nicht zu Fred kommen könnte. Nun, ich meine, bei Ihnen, ich meine, ich weiß, daß er auch ein Arzt ist, aber ich wäre zu verlegen, wenn Sie wissen, was ich sagen will.«
    Ich wußte, was sie sagen wollte, und sie war höchst erfreut, als ich ihren Verdacht bestätigte und ihr sagte, daß sie ein Baby haben würde. Als ich ihr sagte, wann es vermutlich ankommen würde, antwortete sie:
    »Das ist ganz wunderbar. Dad und Frank werden dann auch wieder zurück sein.«
    »Wo sind sie denn?« fragte ich, in der Annahme, daß ihr Mann und ihr Vater irgendwo auf den Bahamas Ferien machten.
    Sie blickte mich verlegen an. »Wie immer«, sagte sie. »Sie haben den Safe unten im Konsum ausgeräumt.«
    Als hätten sie es geahnt, erschienen in der Sprechstunde nach und nach viele meiner Patienten aus alten Zeiten, Leute, die ich gekannt hatte, lange ehe Fred, Robin, selbst Sylvia eine Rolle in meinem Leben gespielt hatten. Leute, die mir Vertrauen entgegengebracht hatten, als ich mit der Praxis begann, und die ich nun schon als meine Freunde betrachtete. Ihr Erscheinen rückte meine kürzlichen Zweifel an meiner Tätigkeit wieder zurecht.
    Als ich anfing, war Mr. Wentworth ein lebhafter Bankdirektor gewesen, der täglich an meinem Haus vorbei zur Arbeit ging, den Bowler gerade auf dem Kopf, elegant den eingerollten Regenschirm schwingend. Nun humpelte er mühsam herein, älter aussehend, als er war, lange schon im Ruhestand und von der Parkinsonschen Krankheit geplagt. Er sagte nichts über die Zustände draußen, aber ich las in seinen Augen, wie sehr er sie verabscheute.
    Mrs. Anderson war damals auch noch jung gewesen, und ich hatte den Tod ihres einzigen Kindes miterlebt. Auch sie war vorzeitig gealtert, verwelkt, verbittert und mit der ganzen Welt uneins. Auch wenn sie das Chaos bemerkt hätte, würde sie nichts sagen. Sie war viel zu sehr mit ihrem eigenen Schicksal beschäftigt, das sie schlecht genug behandelt hatte. Sie glaubte, daß sie von jeder nur erdenklichen Krankheit unter der Sonne geplagt war, und strafte ihren Mann Tag und Nacht mit endlosen Vorwürfen wegen des Verlusts ihres Kindes, an dem er völlig schuldlos war.
    Mrs. Slot-Parker war ebenfalls eine alte Freundin. Ihr Mann war gestorben, aber sie hatte wieder geheiratet und war sehr wohlhabend; sie kam den weiten Weg von Mayfair, um sich von mir untersuchen zu lassen, da sie keinem anderen Arzt vertraute.
    Es waren die alten Patienten, die zu mir hielten. Ich sah plötzlich ein, daß Sylvia wieder einmal recht gehabt hatte. Es war völlig gleichgültig, ob das Haus purpurn, orange, gelb oder rot angestrichen war. Ob der Garten voll von Bildern und die Küche voll von Abfällen war. Soweit es die Patienten betraf, hätte ich an der Decke Mobiles und an den Schornsteinen Wäsche aufhängen können. Die »Szene« war unwichtig. Es war die Person, die zählte. Ich untersuchte Erkältungen, zählte Herzschläge und hörte Krankheitsgeschichten an, ich schrieb Rezepte und ließ Lulu nach den Karteikarten eilen. Ich verteilte Medizinen und

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