Ob das wohl gutgeht...
immer wieder hörte, eine gebildete, vorwärtsstrebende und anspruchsvolle Gesellschaft. Unsere Patienten, die vom schulpflichtigen Alter ab durch die Medien Presse, Radio und Fernsehen erleuchtet wurden, waren sich der wesentlichen Erfordernisse und Bedürfnisse der medizinischen Fürsorge voll bewußt. Eine allgemeine Verbesserung der Versorgung in den Krankenhäusern und privaten Arztpraxen war festzustellen. In vielen Fällen waren noch weitere Verbesserungen möglich, doch was die medizinische Seite betraf, so war trotz der Verbesserungen und Fortschritte in der Betreuung und Behandlung der Patienten die Lebenserwartung jener, die ein mittleres Alter erreicht hatten, nicht wesentlich gesteigert worden.
In der ambulanten Behandlung hatten die an Infektion der Atmungswege, an seelischen Problemen, Degenerationserscheinungen und Hauterkrankungen Leidenden noch immer den größten Anteil. Die meisten Fälle, die wir in die Krankenhäuser einwiesen, gehörten immer noch zu den »großen Sechs«: Mandeln und Polypen, Lunge, Krebs, Magengeschwüre, Kreislauferkrankungen und Brüche. Zwar machten Herz- und Lebertransplantationen Schlagzeilen in den Zeitungen, aber die dringlichsten Probleme, denen wir täglich begegneten, waren die unaufhörlich wiederkehrenden bekannten und undramatischen Erkrankungen.
Trotz dieser Tatsache zog es mich um so mehr zu meiner Assistententätigkeit im Krankenhaus, je mehr ich die Beziehung zwischen dem Gefühlsleben und der Gesundheit des Patienten erkannte; eine Tatsache, welche ich früher als nebensächlich betrachtet hatte. Mir fiel nun besonders die große Zahl von Frauen auf, meist Ehefrauen um die Vierzig, die zwischen Blasenspezialist, Frauenarzt, Magenspezialist und Gallenblasenspezialist hin- und herwechselten, ein Zeichen ihrer Unfähigkeit, in der Ehe Glück zu finden. Als ich mit Fred darüber sprach, sagte er nur: »Quatsch!«
»Nun«, sagte ich, »wenn jemand geweint hat, dann verschwillt und rötet sich sein Gesicht. Sie wollen mir doch nicht weismachen, daß dies das Ergebnis einer körperlichen Erkrankung ist?«
Er wollte es auch gar nicht.
»Die Tatsache, daß ein emotionaler Zustand physische Veränderungen hervorgebracht hat, liegt in diesem Fall auf der Hand. Sie können deren gefühlsbedingten Ursprung nicht bestreiten, das müssen Sie doch zugeben.«
Er versuchte auch gar nicht, dies zu bestreiten.
»Nun gut, lassen Sie uns die Sache weiter betrachten: ist es nicht möglich, daß bei Erkrankungen das seelische Element ganz offensichtlich beteiligt ist, wie z. B. bei Depressionen entsprechende Veränderungen am Magen auftreten können, daß er blaß und grau wird, sich mit Schleimhaut bedeckt, daß Blutungen auftreten und sich ein Geschwür entwickelt? Neben dem vom Weinen geschwollenen und geröteten Gesicht und dem psychisch bedingten Magengeschwür finden Sie Angina und Asthma, rheumatische Arthrose und Migränen.«
»Was ist aber mit gebrochenen Beinen?« fragte Fred. »Da könnten Sie doch bis zum Jüngsten Tag weinen, ohne daß das Wadenbein bricht.«
»Sie finden das wohl witzig«, sagte ich. »Aber lassen Sie mich Ihnen sagen, daß zwar ein gebrochenes Bein oder ein verstauchter Knöchel in den meisten Fällen ein physisches Mißgeschick sind...«
»Und was weiter?«
»...das aber unabweislich auch eine emotionale Seite aufweist.«
»Ich dachte mir schon, daß das kommen würde.«
»Der Patient ist vielleicht gestürzt, weil er verängstigt war, sich vor etwas fürchtete, etwas nicht erwarten konnte oder in einer Stimmung war wie Professor Higgins, als dieser die Treppe herunterfiel, weil er sich über Eliza Dolittle geärgert hatte.«
»Er hätte ebensogut auf einer Bananenschale ausrutschen können.«
»Genau!« sagte ich triumphierend. »Aber haben Sie schon einmal überlegt, warum er überhaupt auf die Bananenschale trat? Weil er als ein Ergebnis fortgesetzter Spannungen, Ängste, Enttäuschungen und Verärgerungen zu Unfällen neigt!«
»Quatsch!« sagte Fred, und ich war wieder da, wo ich angefangen hatte. »Er ist eben auf einer Bananenschale ausgerutscht, Mann.«
Es wäre sinnlos gewesen, die Diskussion fortzusetzen, denn Fred hatte seine eigenen Ansichten über Medizin, und ich muß sagen, daß ich diese mehr respektierte als er die meinen.
Er hatte es dafür mit den unheilbaren Krankheiten:
»Man muß nicht Arzt sein, um eine Lungenentzündung behandeln zu können, Mann«, hatte er schon des öfteren zu mir gesagt, »alles, was
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