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Ob das wohl gutgeht...

Ob das wohl gutgeht...

Titel: Ob das wohl gutgeht... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Tibber
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man braucht, ist eine Flasche Penicillin. Die Behandlung fängt erst bei den unheilbaren Krankheiten an - diese stellen wirkliche Anforderungen an die Kunst des Arztes. Wenn jemand ständig Schmerzen hat, Mann, und weiß, daß es mit ihm bergab geht, muß der Arzt ihm nicht nur schmerzstillende Zäpfchen, sondern auch Glauben an die Zukunft geben, Fröhlichkeit, Erlösung von der Depression, kurz, helfen, mit den Wechselfällen der Krankheit fertig zu werden. Man muß dem Patienten helfen, zu leben, Mann. Dafür ist der Arzt da.«
    Und er praktizierte, was er predigte. Er glaubte nicht daran, daß es tapfer sei, zu leiden, und sagte denjenigen Patienten, die ihm erwiderten, daß der Schmerz sie näher zu ihrem Schöpfer bringe, nicht wiedergebbare Dinge. Oft verbrachte er - seine Liste von Hausbesuchen achtlos beiseite schiebend - einen ganzen Vormittag, um einen Patienten mit Arthrose in das Briefmarkensammeln einzuführen, damit er in seinem schmerzgeplagten Leben etwas Beschäftigung hätte. Er stellte Buchlisten zusammen, besorgte Bücher aus der Bibliothek oder aus seinem eigenen Bestand für bettlägerige Patienten, damit sie eine Anregung bekämen. So seltsam er auch war, so bemerkenswert war die Hilfe, die er zahllosen Menschen leistete, damit sie ihre ständigen schlimmen Schmerzen ertragen konnten.
    Nach Aussagen von Lulu, die unermüdlich das Telefon bediente, verlangten immer mehr Patienten für eine Visite oder Behandlung nach Fred. Die Praxis halbierte sich sozusagen von selbst; jeder von uns hatte seine eigene Klientel. Trotz seiner offen zugegebenen zynischen Ansichten über Psychiatrie schickte Fred jeden Patienten, dessen Probleme in dieser Richtung zu liegen schienen, so schnell er konnte zu mir. Oft brachten sie treffend formulierte
    Laufzettel mit, bei deren Lektüre es mir schwerfiel, ernst zu bleiben. »Dachte, Sie könnten mal Mr. Green ansehen, der Schwierigkeiten mit seiner Zündung hat.« Ich fand heraus, daß er impotent war. »Schicke Ihnen hier Mr. Jonas, der manchmal nicht mehr weiß, wie sich sein eigener Name schreibt. Ihr ergebener Pfret Pärfäkt.«
    Trotz seiner Ansicht war er sich voll bewußt, daß die psychiatrischen Probleme in der Praxis immer bedeutungsvoller wurden. Er war sich genau wie ich ganz klar darüber, daß Angstsymptome oder solche »der langsam schleichenden Furcht« genauso schlimm, vielleicht sogar noch schlimmer sein konnten wie die von Verbrennungen, Geschwüren oder Ekzemen. Für mich bedeuteten sie eine unwiderstehliche Herausforderung, und ich wartete jedesmal ungeduldig auf den Dienstag und die Tätigkeit im Krankenhaus.
    Nach einigen Monaten, in denen ich nicht mehr Beachtung gefunden hatte als Toby Mallesons Manschettenknöpfe, bemerkte ich, daß ich akzeptiert wurde, wenn auch vorerst nur von den unteren Chargen. Jean, die Oberschwester, hatte mich in einem Gespräch unter vier Augen gefragt, ob ich ihr raten würde, ihren jetzigen Freund zu heiraten, der zwar einen Lamborghini fuhr, aber kein Geld auf der Bank hatte. Daphne, die Stationsschwester, lächelte mir jetzt stets beim Kommen zu, und sogar der Professor hatte mich einmal angesprochen.
    Ich wurde davon völlig überrascht nach einem Vortragsabend, wie sie regelmäßig am letzten Mittwoch jeden Monats im Krankenhaus stattfanden. Bei diesen Zusammenkünften wurde gewöhnlich ein Mitglied der Abteilung aufgefordert, über seine Fälle zu sprechen. An jenem Mittwoch wurde eine Unterhaltung geboten, die wir nicht erwartet hatten, und ich empfand es als einen glücklichen Umstand, daß dieser Vortrag in privatem Rahmen vor geladenen Zuhörern hinter verschlossenen Türen stattfand. Der Referent war ein Verhaltenstherapeut unserer Abteilung, der seine Ausführungen mit Dias illustrierte, die zeigten, wie er verschiedene Zwangsneurosen und asoziale Neigungen behandelte, unter anderem einige sehr ausgefallene Arten sexueller Perversionen. Noch unanständigere Fotos hätte man sogar in Soho nicht finden können. Die neben mir sitzende Sozialhelferin wußte kaum noch, wohin sie blicken sollte, und einer der Aufnahmeärzte lutschte während der ganzen Vorführung an seinem Daumen. Der Sherry wurde in noch größerer Stille als sonst eingenommen.
    »Kennen Sie schon meinen neuen Assistenten?« fragte Toby den Professor, der den Wein eingoß, und stellte mich ihm damit mindestens zum zehnten Mal seit Beginn meiner Tätigkeit im Krankenhaus vor.
    »Lucy Cramphorn ist gegen Mehltau immun«, sagte der

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