Obduktion
der Herr«, sagte James. »Ich habe vor nicht einmal einer Stunde mit Shawn telefoniert. Ich sagte ihm, dass du dich bereit erklärt hättest, dich in seinem Namen um einen Laborplatz zu kümmern, und dass du ihn heute noch anrufen würdest, um ihn auf dem Laufenden zu halten.«
»Ist es dir lieber, wenn ich ihn anrufe?«
»Ja. Ich finde, es ist nur angemessen. Ich weiß, dass er dir persönlich für deine Hilfe danken möchte. Das hat er jedenfalls gesagt. Aber unter uns gesagt, ich glaube, dass er sich noch einmal vergewissern will, dass ich die nötige Geheimhaltung deutlich gemacht habe. Er hat genauso viele Bedenken wie ich, dass etwas nach außen dringen könnte.«
»Ich sag’s ihm gern, umso lieber, weil es gute Nachrichten sind.«
James gab Jack Shawns Nummer vom Büro im Museum und seine private Festnetznummer. Dann bat er: »Sag mir Bescheid, sobald du mit Shawn gesprochen hast. Die Sache macht mich sehr nervös, und je mehr Informationen ich habe, desto besser geht es mir. Je länger ich darüber nachdenke, desto größer scheint mir der Schaden zu sein, den diese Sache der Kirche und meiner Karriere zufügen könnte.«
»Ich rufe dich an, sobald ich mit ihm gesprochen habe.«
»Das weiß ich wirklich zu schätzen«, sagte James, bevor er den Hörer auflegte.
Jack versuchte es mit Shawns Büronummer, aber er bekam nur ein Besetztzeichen. Darum machte er sich daran, das ganze Material zu dem erschossenen Teenager im Central Park zusammenzustellen, bei dem der Ermittler vor Ort vergessen hatte, die Hände einzutüten. James wollte sich auch weiterhin Binghams Wohlwollen sichern, und ein Mittel dazu war es, den Fall wie befohlen so schnell wie möglich abzuschließen. Sobald Jack die notwendigen Informationen vorliegen hatte, brauchte er weniger als zwanzig Minuten, um den Papierkram zu erledigen und Bingham mit einer E-Mail darüber in Kenntnis zu setzen.
Dann versuchte er es wieder bei Shawn und kam diesmal
auch durch, aber statt seines alten Freundes hatte er nur dessen Sekretärin in der Leitung. Offenbar war Shawn gerade nicht im Büro, wurde aber jeden Moment zurückerwartet.
Jack beschloss, nicht zu warten. »Können Sie mir sagen, wann das Museum schließt? Ich glaube, ich schaue einfach vorbei und warte auf ihn.«
»Um neun Uhr. Aber ich bin ab halb fünf weg.«
»Würden Sie ihm dann bitte eine Nachricht hinterlassen? Schreiben Sie einfach, dass Dr. Jack Stapleton auf einen Sprung vorbeischaut. Ich schaffe es nicht, dort zu sein, bevor Sie aufbrechen, aber bis Viertel vor fünf bin ich da.«
Als er aufgelegt hatte, nahm sich Jack ein paar Minuten Zeit und beseitigte die große Unordnung in seinem Büro. Dabei stieß er auch auf die Unterlagen und die Gewebeproben zu dem Suizid, wegen dem Lou angerufen hatte. Er wusste, dass der Bezirksstaatsanwalt darauf wartete. Als er fertig war, schnappte er sich seine nasse Lederjacke aus der Ecke hinter der Tür, griff sich den Fahrradhelm, der oben auf dem Schrank lag, und stürmte aus der Tür.
Kapitel 18
16:21 Uhr, Freitag, 5. Dezember 2008 New York City
D er Himmel war klar, und die Sonne stand bereits tief über dem Horizont, als Jack aus dem OCME kam und Richtung Norden auf die First Avenue abbog. Die Temperatur war deutlich gesunken, und seine Wangen brannten, als er durch den Innenstadtverkehr raste.
Er fuhr die 81. Straße Richtung Westen hinunter und stand kurze Zeit später direkt vor dem Metropolitan Museum. Das riesige Gebäude, das mit seiner braunen, neoklassizistischen Fassade vor der Dunkelheit des Central Parks hell leuchtete, raubte Jack für einen Moment den Atem. Jetzt, in der Dämmerung, wirkte es wie ein Diamant auf schwarzem Samt.
Jack sah auf seine Uhr. Es war genau Viertel vor fünf. Während er die Treppen hochrannte und das berühmte Museum betrat, überlegte er, warum er dessen Schätze eigentlich nicht öfter besuchte. Er konnte sich nicht mal daran erinnern, wann er das letzte Mal hier gewesen war, und schämte sich deshalb ein wenig.
Das riesige, mehrstöckige Gebäude war voller Menschen. Jack musste eine Weile an dem großen, ovalen Informationsstand in der Mitte der Halle warten, um mit einem der Angestellten des Museums reden zu können. Als er nach Shawn Daughtrys Büro fragte, gab man ihm einen Plan, auf dem der Weg dorthin markiert war.
Als er auf das Büro zuging, sah er zu seiner Freude, dass die Tür leicht geöffnet war. Er ging hinein und war nun in einem Vorraum mit einem Schreibtisch. Dahinter
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