Obduktion
dass James zum Feiern zumute ist, wenn du findest, was du suchst.« Jack reichte Shawn zum Abschied die Hand.
»Wir werden ihn schon zu seinem Glück zwingen«, sagte Shawn, der Jack zur Tür brachte. »Wir sehen uns morgen, dem Tag, an dem wir etwas Außergewöhnliches enthüllen werden.«
»Ich freu mich darauf«, sagte Jack, dem einfiel, dass er noch vergessen hatte, etwas zu fragen. »Wenn wirklich Knochen in dem Ossuarium sind, soll ich dann den OCME-Anthropologen bitten, sie sich anzusehen? Er ist ein Experte für alte Knochen und kann dir wahrscheinlich einige interessante Dinge über sie erzählen.«
»Gerne, solange du ihm nicht sagst, um wessen Knochen es sich handelt. Je mehr Informationen, desto besser, das war schon immer mein Motto.«
Kapitel 19
17:05 Uhr, Freitag, 5. Dezember 2008 New York City
V oller Vorfreude auf den nächsten Tag fuhr Jack mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss des Museums. Ob wohl die Eingangshalle genauso überfüllt war wie vorher, nahm er die Menschen überhaupt nicht richtig wahr. Er dachte daran, wie schön es war, zwei seiner ältesten Freunde wieder zu treffen, mit denen er seinerzeit so viel Spaß hatte, und dass sie jetzt auch noch diese faszinierende Geschichte zusammen aufdecken würden. Noch nie hatte er sich so sehr gewünscht, dass die Zeit schnell vorbeigehen und er Antworten auf seine Fragen bekommen würde. Das einzige störende Element war, dass sich seine beiden Freunde immerzu in die Haare bekamen. Jack hatte das ungute Gefühl, dass er wieder einmal als Schiedsrichter würde agieren müssen, so wie er es schon auf dem College immer getan hatte. Er hatte keine Ahnung, wie recht er damit behalten würde.
Die Luft war so kalt, dass Jack sich beeilte, nach Hause zu kommen. In halsbrecherischem Tempo fuhr er in Richtung 106. Straße und versuchte auf diese Weise, seine Körpertemperatur zu erhöhen. Innerhalb von fünfzehn Minuten hatte er den Park durchquert und erreichte ihr vierstöckiges Haus, das sie gerade erst renoviert hatten. Genau gegenüber befand sich ein Spielplatz, dessen Renovierung Jack aus eigener Tasche bezahlt hatte.
Er hielt an und blickte zum Basketballplatz hinüber, für dessen Beleuchtung er gesorgt hatte. Unzählige, dunkel schimmernde Pfützen ließen vermuten, dass dort heute Nacht kein Match stattfinden würde.
Mit dem Fahrrad über der Schulter stieg er die acht Stufen des Eingangs hinauf und ging ins Haus. Er sah auf die Kommode, über der ein Spiegel hing. Eine Nachricht von Laurie, dass sie und das Baby schliefen, war nicht zu sehen.
Er war sich nicht sicher, ob das gut oder schlecht war. Lag dort ein Zettel, fühlte er sich sofort einsam. Lag dort keiner, musste er sich anhören, was für ein schlechter Tag es wieder gewesen war.
»Wir sind hier oben«, rief Laurie aus der Küche.
Jack war erleichtert, als er hörte, dass ihre Stimme nicht so angestrengt klang wie sonst. Vielleicht hatte sie einen guten Tag gehabt. Schlechte Tage erkannte er immer schon an ihrer Stimme.
Nachdem er sein Fahrrad in dem extra dafür gebauten Schrank im Flur verstaut hatte, zog er seine Schuhe aus, schlüpfte in seine Hausschuhe und ging hinauf. Wie er schon vermutet hatte, waren Laurie und JJ in der Küche. So gesehen war es ein ganz normaler Anblick, sie waren eine Familie wie jede andere auch.
JJ lag auf dem Rücken in seinem Laufstall und griff nach dem Mobile, das über ihm baumelte. Von seinen leicht vorstehenden Augen und den dunklen Ringen darunter einmal abgesehen sah er aus wie ein ganz normales Baby. Laurie stand an der Spüle und bereitete Artischocken für das Abendessen zu. Sie war sehr blass, und ihre Augenringe waren nicht weniger dunkel als die von JJ. Doch abgesehen davon sah sie umwerfend aus. In ihrem glänzenden Haar schimmerten kastanienbraune Strähnen.
Als sie seinen Blick bemerkte, sagte sie: »JJ hat mir Zeit für eine Dusche gegeben. Es ging dem Kleinen heute besser als die ganze Woche. Ich fühle mich, als käme ich gerade aus dem Urlaub.«
»Das ist ja wunderbar«, sagte Jack.
Laurie spülte ihre Hände ab und trocknete sie an ihrer Schürze. Sie ging zu Jack und legte einen Arm um ihn. Eine ganze Minute lang hielten sie sich im Arm, und die Stille sprach Bände. Dann löste sich Laurie aus der Umarmung und gab ihm einen Kuss auf den Mund. Sie ging zur Spüle und den Artischocken zurück.
»Wie war dein Tag?«, fragte sie. »Was macht dein Kreuzzug?«
Jack überlegte einen Moment lang, was er sagen sollte. Der
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