Oben ohne
Variante gutartigen Tumoren von jungen Frauen oft sehr ähnlich sehen. Da ich einmal jährlich zu Ihnen zum Ultraschall komme, wollte ich fragen, ob Sie sich damit auskennen.« Die Miene meines Frauenarztes macht eine seltsame Verwandlung durch. Er läuft rot an, und seine Augenbrauen ziehen sich zusammen.
»Was ist denn das für eine Frage?«, poltert er plötzlich los. »Wissen Sie, was Sie da sagen? Das ist ja eine Unverschämtheit.«
Ich bin völlig vor den Kopf geschlagen. Das war doch jetzt alles komplett in Ordnung, was ich da gesagt habe. Warum macht er mich so blöde an? Ich habe noch nicht mal gesagt, dass die Mammographie völlig unnötig, wenn nicht sogar schädlich war.
»Ich wollte nicht sagen, dass ich Sie für fachlich inkompetent halte«, versuche ich ihn zu beschwichtigen. »Für mich ist es nur wichtig zu wissen, dass Sie mit familiärem Brustkrebs vertraut sind, wenn ich zu Ihnen zur Vorsorge komme. Das sind ja nur zehn Prozent aller Brustkrebsfälle, da kann ich nicht erwarten, dass Sie sich damit perfekt auskennen.«
Doktor Schmieder ist immer noch ziemlich rot im Gesicht. Plötzlich steht er auf und sagt: »Einen Moment, ich bin gleich zurück.«
Er rauscht aus dem Zimmer.
Ich sitze ziemlich bedröpelt auf meinem Stuhl. War das nun dumm, ihn deshalb so offen anzusprechen? Aber vielleicht habe ich auch einfach voll ins Schwarze getroffen. Er ist nicht mehr der Jüngste – hat er überhaupt jemals etwas von der familiären Variante gehört? Wann hat er wohl seine letzte Fortbildung gehabt? Trotzdem: Ich war da zu naiv. Einfach so bei ihm reinzumarschieren und ihn damit zu konfrontieren. Er ist wahrscheinlich erst wenige Minuten weg, aber mir kommt es vor, als würde ich schon seit Stunden hier auf diesem Stuhl darauf warten, dass er zurückkommt.
Schließlich geht die Türe auf, und Doktor Schmieder setzt sich wieder an den Schreibtisch. Er wirkt etwas ruhiger, aber weiterhin angefressen.
»Wissen Sie, Frau Heeg, das war gerade sehr ungeschickt. Gehen sie zum Ultraschall in Zukunft zu einem Spezialisten«, sagte er mit gepresster Stimme.
»Könnten Sie mir denn einen in Freiburg nennen?«, will ich wissen. »Einmal im Jahr muss ich sowieso nach Köln zu den Untersuchungen. Aber für die zweite jährliche Untersuchung hätte ich gerne jemanden vor Ort.«
»Gehen Sie zu Doktor König. Allerdings ist der ziemlich überlaufen.«
Ich weiß, dass ich schneller einen Termin bekomme, wenn er für mich bei dem Kollegen anruft. Da ich sowieso nichts mehr zu verlieren habe, füge ich hinzu: «Könnten Sie denn einen Termin für mich vermitteln?«
»Sagen Sie ihm einfach, dass Sie von mir kommen.«
Okay, er will offensichtlich nichts mehr mit mir zu tun haben.
Doktor Schmieder verabschiedet sich hastig und verlässt noch vor mir das Sprechzimmer. Im Gang herrscht er die Sprechstundenhilfe an, mir noch ein Kärtchen von Dr. König zu geben. Es ist bescheuert, aber er hat es geschafft, dass ich mich schuldig fühle. Ich schleiche fast ins Wartezimmer, um meine Jacke zu holen. Die Arzthelferin drückt mir das Visitenkärtchen des Kollegen in die Hand. Was die wohl von mir denkt?, schießt mir durch den Kopf. Egal, ich will jetzt nur noch hier raus. Ich habe, was ich brauche. Die Säuglingsbilder begleiten mich noch zur Tür. Es scheint eher sein Ding zu sein, Kinder auf die Welt zu bringen. Ist ja in der Regel auch deutlich erfreulicher als eine Frau, die unter Umständen mit vierzig schon an Brustkrebs wegstirbt, so unter der Hand des Herrn Doktor. Draußen schlägt mir der Lärm der Bundesstraße an der Dreisam entgegen. Nichts wie weg hier. Erst jetzt merke ich, dass mir Tränen über das Gesicht laufen. Die nächste Querstraße ist schon unsere Straße, ein paar Hundert Meter weiter ist die Hausnummer 94, hier wohnen wir.
Ich schließe die Haustür auf und gehe erst mal auf die Toilette – einfach so, um irgendwas zu tun. Tino hat noch Urlaub, er sitzt im Arbeitszimmer und wurschtelt irgendwas an meinem Computer. Ich will ihm eigentlich gar nicht erzählen, wie beschissen das eben gelaufen ist.
»Wie war’s?«, ruft er aus dem Arbeitszimmer.
Ich versuche, den Ausraster von Doktor Schmieder etwas herunterzuspielen, aber Tino merkt, dass ich ziemlich neben der Spur bin. Schließlich erzähle ich ihm, was er gesagt hat, und muss wieder anfangen zu weinen.
»So ein Arschloch!« Tino regt sich sofort wahnsinnig über Doktor Schmieder auf.
»Ich gehe da jetzt hin und geige ihm ordentlich
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