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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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die Meinung!«
    Mir ist das sehr unangenehm, und ich kann ihn schließlich von dem Vorhaben abbringen. Ich weiß eh, dass ich da nie wieder hingehe. Schon allein, weil er offensichtlich fachlich keine Ahnung von familiärem Brustkrebs hat. Die Vermutung hatten wir ja bereits, als wir gehört haben, dass Mammographie in meinem Alter völlig überflüssig oder sogar schädlich ist. Warum also noch mehr Öl ins Feuer gießen. Viel wichtiger ist es für mich, dass ich weiß, wo ich in Zukunft hin kann.
    Jetzt will ich erst mal etwas raus in die schöne Herbststimmung. Am besten aufs Rennrad. Da können die Gedanken zur Ruhe kommen. Die Logistik, die es benötigt, um bei den schon fallenden Temperaturen auf dem Rad nicht zu frieren, lenkt ab. Schön nach dem Zwiebelschalenprinzip Schicht für Schicht anziehen. Und zwischendurch darüber fluchen, dass die Radklamotten bei uns nach dem Chaosprinzip in vier Kisten wahllos verteilt aufbewahrt werden. Die einzige wirkliche Ordnung besteht darin, dass jeder von uns zwei eigene Kisten hat. Hin und wieder verirrt sich dann aber doch ein Kleidungsstück in die falsche Kiste, was das Ganze nicht einfacher macht. Tino kommt auch mit, und eine Viertelstunde vergeht mit den Vorbereitungen. Wenn wir unsere sieben Sachen zusammen haben, können wir die Räder aus dem kleinen Keller befreien, dann müssen wir nur noch ein paar Kilometer durch unser Wohngebiet nach Osten radeln, bevor sich das idyllische Dreisamtal mit Pferdekoppeln, Kuhweiden und malerischen Schwarzwaldbauernhöfen vor uns öffnet.
    Während sich die Beine automatisch bewegen und wir über die üblichen Wege rollen, geht mir das Gespräch immer wieder durch den Kopf. Und mir wird immer klarer, dass Doktor Schmieder wahrscheinlich reflexartig versucht hat, von seinen eigenen Fehlern abzulenken. Es ist schon seltsam: Ich habe ihn seit Jahren als väterlichen, netten Arzt erlebt, der immer viel Kompetenz ausgestrahlt hat. Heute hat er sich kurz mal von einer ganz anderen Seite gezeigt. Was wohl von der ganzen Freundlichkeit über all die Jahre echt war? Das ist natürlich eine müßige Frage. Dabei ging es mir doch überhaupt nicht darum, ihn bloßzustellen. Ich wollte einfach nur wissen, ob ich in kompetenten Händen bin. Wenigsten lassen meine Schuldgefühle langsam nach.

    Donnerstagmorgen gibt es wieder ein Ferienfrühstück. Das ist super – denn dass für meine absolute Lieblingsmahlzeit während der Schulzeit so wenig Zeit bleibt, ist richtig hart. Aber durch die lange Fahrtzeit zu meiner Schule in Oberkirch müssen wir sehr früh aufstehen, meistens schon um halb sechs. Tino muss auch um sieben Uhr den Zug nach Basel erwischen. In den Ferien bleiben wir zwar weiterhin gemäßigte Frühaufsteher, die Frühstückszeit wird aber locker verdreifacht. Nicht unbedingt die Essensmenge, aber das spielt keine Rolle. Ich habe endlich Zeit für mehrere Tassen Tee, ohne dabei im Hinterkopf zu haben, dass ich während fünfzig Minuten Autofahrt nicht auf die Toilette kann, ohne eine Verspätung zu riskieren. Das hat schon fast etwas von Freiheit.
    Für heute steht noch ein Anruf bei Doktor König an. Nicht dass ich sofort einen Termin bräuchte. Aber der Januar kommt sicher schneller, als mir lieb ist. Außerdem ist so eine selbstgesetzte Deadline hilfreich. Nach dem Frühstück starte ich die ersten Versuche: immer wieder belegt. Doktor Schmieder hat ja angekündigt, dass sich die Praxis großer Beliebtheit erfreut. Beim übernächsten Versuch lande ich immerhin in der Warteschleife. Das verbuche ich locker mal als Erfolg.
    Schließlich knackst es in der Leitung: »Praxisgemeinschaft Dr. König, guten Tag.«
    Ich sage mein Sprüchlein auf: Dass ich zu einer Hochrisikogruppe für familiären Brustkrebs gehöre und Dr. Schmieder mich an sie verwiesen habe wegen der Ultraschallvorsorge.
    »Es tut mir leid, wir können keine neuen Patienten mehr aufnehmen.«
    Hoppla, weder das Wort Hochrisikogruppe noch der Hinweis auf Doktor Schmieder zeigen die geringste Wirkung.
    »Mir wurde aber gesagt, dass Doktor König der Einzige ist, der sich im Schallen von Hochrisikopatienten auskennt.«
    Aber auch das bleibt wirkungslos – die Arzthelferin wimmelt mich ab und will das Gespräch beenden. Einen Trumpf habe ich aber noch. »Es ist wichtig für mich als Privatpatientin , zu Doktor König zu kommen.«
    »Ach so, Sie sind privat versichert. Wann möchten Sie denn einen Termin?«
    Das ist schon etwas ekelhaft, oder? Nun gut, am System

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