Oben ohne
kann ich nichts ändern.
»Im Januar, an einem Nachmittag.«
Ich bekomme einen Termin am 19. Januar um 15 Uhr. Geschafft. Ich habe mein Ziel erreicht: Ich werde fachkundig versorgt sein. Und eigentlich viel wichtiger im Moment: Jetzt habe ich fast drei Monate Ruhe von dieser ganzen Angelegenheit.
Der Rest der Ferien gehört nun wieder der Schule und den Freunden. Es sind die üblichen Ferienaufgaben, die ich völlig ohne Zeitdruck erledigen kann: Alle aufgestapelten Papiere und Unterrichtsmaterialien, die ich im Trubel der Unterrichtszeit nur notdürftig im Arbeitszimmer zwischenlagern konnte, fachgerecht wegräumen. Wenn das geschafft ist, fühlt es sich immer richtig gut an. Vor allem das Gefühl, wieder auf dem Laufenden zu sein, ist wichtig. Im Idealfall kann ich außerdem einige Stunden für die kommenden Wochen schon planen, sodass ich sogar einen Vorsprung habe und im Alltag mit dem Sortieren, Korrigieren, Kontrollieren eine Weile wieder mitkomme. Außerdem diskutieren wir gerade, ob Tino seinen Job bei der Bank hinschmeißen soll, da er sich da nicht wohlfühlt. Aber was soll er stattdessen machen?
IRGENDWIE IST ES DEMÜTIGEND
Januar 2004
Wir hatten bereits im November eine Ferienwohnung in den Schweizer Bergen gebucht, wo wir mit einigen Freunden die zwei Wochen über Weihnachten und Neujahr zum Langlaufen sein würden. Ich bin sehr froh, dass das große Fest der Liebe und der Familie weitgehend ohne Familie geregelt ist. Zu Hause ist es schon lange nicht mehr wie früher. Mit meinen Geschwistern habe ich zwar ein gutes Verhältnis, aber mit meinem Vater habe ich nur noch sehr wenig zu tun. Er ist wieder verheiratet, und seine neue Frau hat mich idiotischerweise von Anfang an als Konkurrentin gesehen und auch so behandelt. Oma Winzker, die Mutter meines Vaters, ist längst tot, ebenso meine Mutter – alles nicht mehr das, was es mal war. Der einzige Ort, der sich diesen ganzen Veränderungen bisher entzogen hat, ist das Haus von Oma Geiger. Hier herrscht immer noch die vertraute Umgebung. Leider musste der traditionelle Besuch am zweiten Weihnachtsfeiertag ausfallen, da wir noch Skifahren waren. Aber jetzt sind wir zurück, es ist der 3. Januar, und wir holen das nach. Der Weihnachtsbaum in Omas Wohnzimmer steht noch, und das ganze Haus ist schön geschmückt, als wir auf dem Sonnenberg in Stuttgart ankommen. Oma hat auch die Holzpyramide aus dem Erzgebirge aufgebaut, die mir besonders gut gefällt, weil sie mich an die schönen Zeiten erinnert, als meine Mutter noch mit uns zusammen gefeiert hat. Die Schatten, die sie an die Decke wirft, wenn die Kerzen brennen und die aufsteigende heiße Luft den Propeller antreibt – da könnte ich ewig zuschauen.
Wie jeder Besuch bei Oma beginnt auch dieser verspätete Weihnachtsbesuch mit einem exzessiven Kaffeetrinken mit selbstgebackenen Stollen und unterschiedlichsten »Gutzle«, wie wir in Schwaben zum Weihnachtsgebäck sagen. Schon in der Adventszeit kommt immer das erste Care-Paket aus Stuttgart: eine große Dose voller Plätzchen. Aber bei Oma zu Hause schmecken sie mir einfach noch besser. Die Auswahl an Sorten und die Mengen, die sie jedes Jahr mit meinem Onkel zaubert, beeindrucken mich immer wieder. Und trotz ihres hohen Alters ist sie experimentierfreudig geblieben und probiert gerne neue Rezepte. Der Rührkuchen mit Orangenaroma ist richtig gut gelungen. Schade, dass ich einfach irgendwann statt bin, pappsatt. Nach dem Kaffeetrinken setzen wir uns zum Weihnachtsbaum ins Wohnzimmer und tauschen Neuigkeiten aus. Oma will alles wissen, und wir berichten ausgiebig von unseren Urlaubserlebnissen. Als das alles durchgekaut ist, gehe ich mit ihr ins Zimmer mit den vielen Romanen. Hier steht nämlich immer die Krippe. Sie ist schon sehr alt und nimmt das halbe Zimmer ein. Alles wurde von Hand hergestellt. Sie ist fast wie eine große Modelleisenbahnanlage. Die Krippe ist beleuchtet, und jetzt am späten Nachmittag, wenn es draußen schon dunkel wird, hat mein Onkel den Strom angeworfen, und alles wird von einem warmen Licht erleuchtet. Das Hintergrundbild für die Szenerie hat ein farbenblinder Künstler gemalt, das fasziniert mich auch heute noch.
Wir verbringen hier ein paar schweigende Minuten. Jeder hängt seinen Gedanken nach, zum Teil sind es sicherlich die gleichen. Die Krippe erinnert mich immer an die Besuche bei Oma in der Kindheit mit meiner Mutter. Ich kann mich auch heute kaum daran sattsehen: der Elefant mit seiner Trage, die
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