Oben ohne
werden sie auch nicht haben.«
Das klingt sogar einigermaßen Erfolg versprechend. Die Studie, die von den Brustkrebszentren durchgeführt wird, halte ich weiterhin für eine absolut sinnvolle Sache. Natürlich will ich da nicht ernsthaft aussteigen, aber man kann ja sozusagen prophylaktisch damit drohen. Auf diese Idee wäre ich nicht gekommen, das kann sogar klappen. Tino setzt sich gleich an den Computer und verfasst in meinem Namen einen höflichen, aber bestimmten Brief. Am Schluss bittet er um eine umgehende Stellungnahme. Ich lese ihn durch und unterschreibe. Tino sprintet noch zur Post, damit das Schreiben morgen früh in Köln ist.
Keine vierundzwanzig Stunden später klingelt das Telefon, und Köln ist in der Leitung. Na, geht doch, denke ich.
Es habe leider die Einverständniserklärung von Oma gefehlt, sodass das Labor das Blut von ihr gar nicht bearbeitet hatte. Die Ärztin bittet mich mehrfach um Entschuldigung dafür, dass ich darüber nicht informiert wurde. Ja, das verstehe ich schon, ich kam direkt in der Umzugsphase des Zentrums von Bonn nach Köln dazu, da geht schon mal etwas verloren. Aber das spielt auch keine Rolle mehr, ich muss die Unterschrift besorgen. Dann werde ich in absehbarer Zeit mehr wissen. Das ist die Hauptsache.
RAUS AUS ALLEM
Juni 2005
Eines meiner Lieblingsrestaurants in Freiburg heißt witzigerweise Omas Küche. Es liegt gegenüber dem alten Wiehrebahnhof, an dem schon seit vielen Jahren keine Züge mehr halten. Dafür ist das hübsche kleine Bahnhofsgebäude nun Kulturzentrum und beherbergt das Kommunale Kino. Der ehemalige Bahnhofsplatz ist längst mit Bäumen bepflanzt, und wo früher Bahndamm war, ist nun an zwei Tagen ein bunter Wochenmarkt mit allen möglichen Biobauern. An lauen Sommerabenden treffen sich die Wiehrebewohner gerne zum Boulespielen und einem Glas Rotwein. Nirgendwo ist Freiburg französischer als hier.
Omas Küche ist quasi mein Balkon. Dort kann man draußen sitzen, auf dem Trottoir, mit Blick über den Platz. Wir wohnen in einer ziemlich kleinen Drei-Zimmer-Wohnung. Der größte Raum ist unser Arbeitszimmer, die zwei Schreibtische und viele Regale füllen ihn komplett aus. Und da wir unter dem Dach wohnen, haben wir keinen Balkon. Für mich als Wärme- und Sonnenliebhaberin ist das schon ein gewisses Opfer. An den Tagen im Jahr, an denen andere auf ihrem Balkon sitzen, gehe ich deshalb gerne dort auf einen Kaffee oder eben zum Mittagessen hin.
Es ist Anfang Juni, das Schuljahr geht langsam seinem Ende zu. Noch knapp zwei Monate bis zu den großen Ferien. Es ist Freitagmittag, ich hatte früher Schule aus, sodass ich ausnahmsweise zur üblichen Mittagessenszeit in Freiburg bin. Ich bin mit meiner Freundin Katja in Omas Küche verabredet. Katja ist auch Lehrerin, an einer Grundschule.
Ich bin noch vor Katja da und suche mir zielsicher einen Platz in der Sonne. Noch hat sie nicht ihre volle sommerliche Kraft, und es ist noch erträglich ohne Schatten. Kurze Zeit später kommt meine Freundin um die Ecke. Wir entscheiden uns zwischen den beiden Mittagsmenüs und tauschen die üblichen Schulgeschichten aus. Eigentlich sollte jetzt alles leicht und locker sein, so kurz vor Ende des Schuljahres. Aber wieder merke ich, dass es mich sogar anstrengt, hier zu sitzen und mit Katja zu reden. Die Pfingstferien liegen nur wenige Wochen zurück, ich sollte also auch noch erholt sein. Aber Fakt ist, dass ich das nicht bin, sondern mich immer noch und immer mehr ziemlich kaputt fühle.
Schließlich kommen unsere beiden Teller. Nachdem wir alles aufgefuttert haben, wirft mir Katja einen langen Blick zu. Dann sagt sie: »Evelyn, man merkt dir an, dass du völlig kaputt bist.«
Hoppla, ist das so offensichtlich? Oder hat Katja einfach nur genau hingeguckt?
»Ja, das stimmt«, sage ich zögerlich. Aber dann bricht es fast aus mir heraus. »Meine Power reicht mir zurzeit gerade so für die Woche. Und freitags bin ich dann komplett erledigt. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll.«
Die Kellnerin räumt die Teller ab und erkundigt sich, ob es denn geschmeckt hat.
»Hast du schon einmal über eine Kur nachgedacht?«, fragt Katja, als sie wieder weg ist.
Nein. Ich bin baff. Auf diese Idee bin ich noch nie gekommen. Der Gedanke ist mir völlig neu.
»Das würde dir bestimmt guttun, raus aus allem, abschalten.«
Das muss ich mir durch den Kopf gehen lassen. Es klingt auf jeden Fall verlockend. Eine Auszeit, einfach aus der täglichen Tretmühle flüchten. Wir
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